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Nadrags spannende Welt
der Kunst und Antiquitäten

Werke von Göhre und Scholz an der Welle zu sehen

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). »Göhre ist ein echter Handschmeichler«, findet Nikolaus Nadrag, streicht mit der Hand behutsam über die glatte Oberfläche der hölzernen Figuren, dreht sie liebevoll und betrachtet sie aus mehreren Perspektiven. Nadrag zeigt bis Weihnachten in seinem Antiquitätengeschäft am Bunnemannplatz zwölf Arbeiten des Düsseldorfers Alfred Göhre.

Nadrag hatte seine Kunden und Freunde wie in jedem Jahr mit einer kurzzeitigen Werkstatt-Ausstellung zwischen Hobelbank und Bandsäge auf die Materie eingestimmt. Wo im Alltag wertvolle alte Möbel aufgearbeitet werden, entführt der Hausherr seine Gäste regelmäßig zu einer Herbstausstellung in eine faszinierende Welt. In diesem Fall unterstützen die rauhen Werkstattwände, der Lichteinfall durch die Sprossenfenster und die Nähe zur Werkbank und zum typischen Kanonenofen das optische Gesamtbild. Nadrag, gebürtig aus der Steiermark und seit vielen Jahren in Bielefeld zu Hause, ist nicht nur ein ausgezeichneter Kenner der Antiquitäten-Materie. Ganz nebenbei vermag der Hausherr packend etwas über die Künstler zu erzählen, deren Arbeiten er in diesem Jahr noch bis Weihnachten in seinem Geschäft an der Welle zeigt.
Die Holzfiguren von Alfred Göhre werden heute von seiner Witwe Fenny gehütet. Die lebt auch elf Jahre nach Göhres Tod noch in dem Atelier des renommierten Künstlers in Kaiserswerth. Schon einmal, im Jahr 2001, hatte Nikolaus Nadrag Plastiken des geradezu von seiner Arbeit besessenen Holzbildhauers gezeigt, der in außergewöhnlicher Weise weiche Konturen herausarbeitete und liebenswerte Persönlichkeiten in Holz schuf. »Göhre verarbeitete jedes ihm in die Hände kommende Holz«, erzählt Nadrag. Einige Mäzene ermöglichten dem Künstler seinen Lebensunterhalt. In einer Vielzahl von Ausstellungen ist Göhre berücksichtigt worden. Die Präsentation an der Welle ist dennoch etwas Besonderes, freut sich Nadrag.
Der kennt auch den zweiten Künstler persönlich, dessen Arbeiten bis zur Jahreswende gezeigt werden. Vor Jahren hatte er sich selbst einmal ein Bild des Malers Martin Scholz aus Bünde geleistet, erzählt Nadrag. Den Status eines Geheimtipps hat Scholz, dessen Bilder so ausgezeichnet mit den Holzarbeiten Göhres harmonieren, längst hinter sich, obwohl sich beide Künstler wohl nie persönlich getroffen haben.
Den Besuch des liebevoll eingerichteten Antiquitätengeschäftes an der Welle lohnt aber allein schon der Blick auf das wunderschöne Mobiliar, das Nadrag in ganz Europa aufgestöbert hat. Die größtenteils mehr als 100 bis 130 Jahre alten Stücke in unrestauriertem Patina-Zustand stehen für europäische Familiengeschichten, von denen der Hausherr manche zu erzählen weiß. So kommt man beim Stöbern fast automatisch ins Klönen.

Artikel vom 06.12.2006