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»Union soll sich stärker
von der SPD absetzen«

Stoiber stützt den sozialpolitischen Flügel der CDU

Von Reinhard Brockmann
Dresden (WB). Die Union soll sich stärker vom Koalitionspartner SPD abgrenzen. CSU-Chef Edmund Stoiber hat gestern beim Bundeskonvent der Schwesterpartei in Dresden dazu aufgerufen, die Unterschiede wieder deutlicher zu machen.

Unter dem Beifall von 1000 CDU-Delegierten sagte er, auch wenn es der SPD nicht passe, müsse man an die katastrophale Bilanz von Rot-Grün erinnern: Fünf Millionen Arbeitslose und Schlusslicht bei der Verschuldung in Europa waren die Stichworte des Bayern in einer mit Vehemenz, Schmeicheleien und Herzblut vorgetragenen Rede. Auch heute noch blockiere die SPD die Regierungsarbeit in Berlin an vielen Punkten, sagte Stoiber: Videoüberwachung, Bleiberecht, Kombilohn, Energiepolitik und die Türkeifrage seien Punkte, bei denen ohne die SPD bessere Ergebnisse zu erzielen wären.
Gemäßigter war die Tonlage im Bericht von Volker Kauder, des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag: Er riet von einer »Krawall-Koalition« ab. Es gehe beim Regieren mit der SPD - »wahrlich nicht unser Wunschpartner« - darum, dass die Menschen wieder Vertrauen in die Demokratie gewönnen. Ein Streitkurs ließe die Bürger an der Demokratie verzweifeln. Einig waren sich beide darin, dass die großen politische Entwürfe innerhalb der Volksparteien formuliert werden sollten. Kauder betonte, Parteitage zeigten CDU-Politik ohne Koalitionszwang. Stoiber warnte vor der Zersplitterung der Parteienlandschaft und lobte ausdrücklich, die am Vortag in Dresden geführte Richtungsdebatte der CDU. Warnend verwies er auf die Niederlande, wo inzwischen selbst große Koalitionen nicht mehr eine Mehrheit der Mandate zustande brächten.
Mit dem Lob der innerparteilichen Debatte in den großen Volksparteien, statt der Interessenvertretung durch Klientelparteien, outete sich der Bayer als Unterstützer der von Jürgen Rüttgers betriebenen sozialen Profilierung. Als Partei der sozialen Marktwirtschaft - und er ließ das von Angela Merkel eingeführte Adjektiv »neue« aus - müsse man sich der Gerechtigkeitsfrage stellen. Auch in Bayern gebe es das Beispiel des 46jährigen Diplom-Ingenieurs, der bei BMW oder anderswo seine Stelle verliert, und sich nach 12 Monaten in Hartz IV wiederfindet. Gerechtigkeit verlange, dem Mann schnell zu neuer Arbeit zu verhelfen, nicht allein auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen und ihm nach langen Beitragsjahren auch mehr auszuzahlen.
Stoiber: »Die Menschen müssen ein Grundvertrauen haben, dass wir für gerechte Maßstäbe eintreten.« Über die SPD müsse er sich schon sehr wundern, bemerkte Stoiber. Die setze beim Bleiberecht auf großzügige Sozialleistungen für rechtswidrige in Deutschland lebende Ausländer, »das sind oft klassische Sozialbetrüger«. Diese Gruppe habe logischerweise noch nicht einen einzigen Euro in die Sozialkassen gezahlt, während Arbeitnehmern nach vielen Beitragsjahren von der SPD eine längere Auszahlung verwehrt werde.
Passend zur Stoiberschen Linie beschloss der CDU-Parteitag ein Konzept zur Beteiligung von Arbeitnehmern an ihren Unternehmen. Der sogenannte Investivlohn soll zur stärkeren Teilhabe am Gewin des eigenen Unternehmens führen. Das von einer Arbeitsgruppe um den nordrhein-westfälischen Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann erarbeitete Konzept sieht auch eine Versicherung der Einlagen für den Fall der Insolvenz vor.

Artikel vom 29.11.2006