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Übers Wetter freut sich
nur der Borkenkäfer

Warmer November: Pflanzen wachsen wie im Frühling

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Es ist zu warm, das merkt jeder. Den einen freut's, der andere blickt sorgenvoll in den Himmel. Und ein dritter frisst sich dick und rund: der Borkenkäfer.

»Der sollte eigentlich zwischen Stamm und Rinde oder im Erdreich überwintern«, sagt Jürgen Oppermann, Leiter des Bielefelder Forstamts. Doch wo kein Winter, da kein Schlaf: »Wir entdecken immer neue Nester - dann müssen die Stämme schnell gefällt und das Holz verarbeitet werden, bevor sich das Insekt weiter ausbreitet.«
Weil die Bäume verzögert reagieren und die Wasserzufuhr nicht drosseln, rechnen die Forstwirte noch bis in den Februar hinein mit absterbendem Nadelholz. Das macht das Joggen im Wald ziemlich gefährlich. »Wen der Herrgott holen will, den kriegt er auch«, meint Oppermann. Trotzdem gibt er zu bedenken: »Was nutzt die ganze Fitness, wenn selbst kleine Äste, die bei Sturm oder unter lastendem Schnee abbrechen, tödlich sein können?«
Und noch eine Gefahr kehrt zurück: die Zecke. Um die gefährliche Borreliose zu vermeiden, sollten Waldspaziergänger sich (und ihren Hund) genauestens nach den Blutsaugern absuchen.
Es dürfte endlich kälter werden, finden die Forstexperten, und darauf hoffen auch die Landwirte. »Das Gras auf unseren Weiden und das Getreide wachsen weiter«, sagt Heinrich Quakernack, stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes. Eine dichte Schneedecke wäre perfekt, wenn sie nur Saaten und kurze Keimlinge schützen würde. »Jetzt aber ist es schon so weit, dass der Schnee die Vegetation knicken und absterben lassen würde.« Mögliche Folge: der gefürchtete Schneeschimmel.
Zum Glück gibt es ein biologisches Gegenmittel: Schafe. »Wir holen uns eine Herde, die das Gras kurz hält«, sagt Quakernack.
»Die Entwicklung der Pflanzen ist bereits zu weit fortgeschritten«, erklärt auch Udo Heidemann, Leiter des Botanischen Gartens. Zwar blühten noch nicht die Kirschen, aber die Stauden, Pfingstrose und Primel schieben jetzt Triebe aus der Erde - mindestens drei Monate zu früh. »Eigentlich wäre jetzt die Zeit, viele Pflanzen mit unserem gesammeltem Laub abzudecken, aber darunter wäre ihnen jetzt viel zu warm«, meint Heidemann.
Statt dessen zupft er Unkraut, ganz ungewöhnlich für Ende November. »Ich wünsche mir gleichmäßiges Wetter - wenn denn Schnee fällt, soll er auch lange liegen bleiben.«

Artikel vom 29.11.2006