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Bundesanwalt
macht Hoyzer
neue Hoffnung

Freispruch für Schiri gefordert

Leipzig (dpa). Ausgerechnet der Bundesanwalt hat Skandal-Schiedsrichter Robert Hoyzer Hoffnung gemacht, doch nicht ins Gefängnis zu müssen. Im mit Spannung verfolgten Revisionsprozess um den Fußball-Wettskandal forderte Bundesanwalt Hartmut Schneider vor dem Bundesgerichtshof überraschend einen Freispruch.
Der Jurist beantragte vor dem 5. Strafsenat in Leipzig, das Urteil des Landgerichts Berlin vom November 2005 aufzuheben. Es sei von »bemerkenswerter Oberflächlichkeit«, kritisierte Schneider. Am 15. Dezember soll nun das endgültige Urteil gefällt werden.
Laut des ersten Richterspruchs muss Hoyzer (27) zwei Jahre und fünf Monate in Haft. Nach Ansicht Schneiders bietet das Strafgesetzbuch bislang aber keine Möglichkeit, die Manipulationen von Hoyzer und den kroatischen Brüdern Sapina als Betrug zu ahnden. »Das ist eine Gaunerei. Aber strafrechtlich kommt man da nicht dran«, sagte er mit Bedauern.
Nun müssen die Bundesrichter entscheiden. Bis dahin ist eine spannende Diskussion zwischen den vier männlichen und einem weiblichen Mitglied des 5. Strafsenats zu vermuten. »Ist tatsächlich Raum für einen Freispruch?«, fragte der Vorsitzende Richter Clemens Basdorf nach dem Antrag Schneiders. Er schloss nicht aus, dass der Fall dem Großen Senat des BGH vorgelegt werden muss, weil die bisherige Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zu gegensätzlichen Beurteilungen kam.
Das Landgericht Berlin hatte Drahtzieher Ante Sapina (30) wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Strafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Der damalige Schiedsrichter Hoyzer wurde wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen verurteilt. Neben Sapinas Brüdern waren der frühere Referee Dominik Marks (31) und Ex-Profi Steffen Karl (36) beteiligt, es gab Bewährungsstrafen.
»Der Wettskandal hat Deutschland seinerzeit in Rage gebracht«, erinnerte Schneider. Insbesondere mit Blick auf die WM im eigenen Land sei der Ruf nach einer schnellen und harten Bestrafung laut gewesen. Das Berliner Urteil entstand »unter dem Druck der bevorstehenden WM« kritisierten auch die Verteidiger, die alle um einen Freispruch kämpften.
»Falscher kann ein Urteil nicht sein«, konstatierte Hoyzer-Anwalt Thomas Hermes. Dass sie ausgerechnet vom Bundesanwalt Schützenhilfe bekamen, hat die Verteidigung überrascht. »So deutliche Worte hatte ich nicht erwartet«, sagte Karls Anwalt, Andreas Bartholomé. Die Bundesanwaltschaft sei dem Anspruch als »objektivste Behörde der Welt« gerecht geworden.
Der Bundesanwalt stützte sich dabei auch auf ein wesentliches Argument der Verteidigung: die allgemeinen Geschäftsbedingungen für Oddset-Wetten. Schneider forderte dazu auf, diese erneut zu überprüfen. Hätten sich die »Zocker« mit dem Erwerb des Wettscheins gleichzeitig dazu verpflichten müssen, nicht zu manipulieren, hätte es sich in diesem Fall um Betrug gehandelt.
Nun muss der BGH entscheiden. Neben den beantragten Freisprüchen bleiben zwei weitere Varianten: Die Bundesrichter stellen Rechtsfehler fest und heben das Urteil auf. Dann wird der Prozess vor einer anderen Kammer des Berliner Landgerichts neu aufgerollt. Für diese Variante könnte unter anderem sprechen, dass Hoyzer im Urteil Manipulationen im Spiel zwischen den Amateuren des VfL Wolfsburg und den Amateuren des Hamburger SV am 6. November 2004 angelastet wurden. Dieses Spiel hat aber Dominik Marks gepfiffen.
Bestätigt der 5. Strafsenat das Berliner Urteil, wird es rechtskräftig und Hoyzer sowie Sapina müssen zügig ihre Haftstrafe antreten. »Das ist eine spannende Geschichte«, sagte auch Generalbundesanwältin Monika Harms, die einen Besuch in Leipzig nutzte, um die Verhandlung zu besuchen.

Artikel vom 29.11.2006