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Auf den Wegen des Malers
durch ganz Deutschland
Caspar David Friedrich: die Ausstellung und Stationen seines Lebens
Es müssen keine »Best of«-Präsentationen berühmter Museen wie »MoMA« oder »Guggenheim« sein. Auch mit Werkschauen deutscher Maler lassen sich Museen füllen.
Wie man das bewerkstelligt, haben dieses Jahr das Essener Folkwang-Museum und die Hamburger Kunsthalle gezeigt. Sie schafften es, etwa 70ÊGemälde und mehr als 100 Papierarbeiten von Caspar David Friedrich aus Museen und Privatsammlungen in aller Welt zu einer sensationellen Ausstellung zusammenzufügen. Sie gilt als größte Schau mit Werken des deutschen Romantikers.
Zum ersten Mal verließ das wohl bekannteste Friedrich-Gemälde »Kreidefelsen auf Rügen« das Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten in Winterthur. Die Möglichkeit, es außerhalb von Winterthur zu sehen, wird es so bald kein zweites Mal geben. Viele Gemälde waren übrigens seit mehr als 30ÊJahren nicht mehr in Deutschland zu sehen. Bis Ende Januar besteht in Hamburg noch die Gelegenheit, die Meisterwerke zu bewundern. Und die Massen sind kaum zu bremsen: Lange Schlangen bilden sich vor allem am Wochenende an den Kassen.
Caspar David Friedrich war der bedeutendste Landschaftsmaler der Romantik. In seiner künstlerischen Tätigkeit sah er sich als Vermittler zwischen Mensch und Natur. Vor diesem Hintergrund näherte er sich den Naturschönheiten, verarbeitete Stimmungen und Empfindungen. Seine Werke sind demnach keine reinen Abbilder der Natur, sondern vergegenständlichen zusätzlich das Unfassbare.
Kommendes Jahr bietet sich dann eine Reise auf den Spuren von Caspar David Friedrich durch Deutschland an. Sie beginnt in Greifswald, dem Geburtsort des Malers. Die Silhouette der Stadt, wie sie Friedrich gesehen hat, ist auch heute noch nahezu unverändert, denn Greifswald hat sich seitdem kaum in nördliche und westliche Richtung ausgedehnt. Dieser Blick von Norden und Westen auf die historische Innenstadt ist sogar denkmalgeschützt. Jeder, der über Stralsund anreist, sieht also aus der Ferne die historischen Konturen Greifswalds und wird sogleich auch mit einem Kapitel Kunstgeschichte konfrontiert.
Das Haus Lange Straße 57, in dem Caspar David Friedrich geboren wurde, kann man allerdings nicht mehr besichtigen -Êes brannte 1901 ab. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel am Nachfolgebau daran, dass hier Greifswalds berühmtester Sohn das Licht der Welt erblickte.
Das rückseitige Gebäude aber beherbergte einst die Friedrich'sche Seifensiederei und Lichtgießerwerkstatt des Vaters. Eine Inschrift in großen Lettern weist unübersehbar darauf hin. Heute befindet sich in dem alten Backsteingemäuer das Caspar-David-Friedrich-Zentrum. Neben diesem Gebäude ist auf einer Häuserwand eine Kopie von Friedrichs Gemälde »Mondaufgang am Meer« aufgetragen.Ê
Weiter geht es zum Dom St. Nikolai: Dort wurde der Maler 1774 getauft. Ein großer Teil der Innenausstattung des Mittelschiffes wurde später von seinem Bruder, dem Kunsttischler Christian Friedrich, geschaffen. Des weiteren besuche man die Reste des Zisterzienserklosters Hilda, später Kloster Eldena. Es wurde 1199 gegründet und 1633 zerstört. Die Klosterruine diente Friedrich als Motiv für seine romantischen Werke. Einige der Gemälde des Malers sind nach Rückkehr aus Hamburg wieder im Pommerschen Landesmuseum zu bewundern.
Besucht man in der Folge Orte, die Friedrich gemalt hat, so sollte man sich stets vor Augen halten, dass der Künstler ausschließlich im Atelier malte. Er ließ sich von realen Landschaften anregen und unternahm zu diesem Zweck ausgedehnte, oft mühsame Wanderungen in kaum erschlossene Gebiete.
Friedrich wählte Standorte, die noch nie in der Lanschaftsmalerei vorher so erfasst worden waren. Er erzielte daher erstmals die Wirkung, dass der Betrachter sich unmittelbar mit dem Standort des Malers oder mit den betrachtenden Figuren in der Landschaft identifizieren konnte. Allerdings ist die Darstellung der Landschaft idealisiert. Im Grunde genommen nahm Caspar David Friedrich vorweg, was heute in der Reisefotografie, insbesondere in Katalogen, gang und gäbe ist: Motive werden bestmöglich in Szene gesetzt und optimiert.
Nirgendwo ist das so deutlich zu erleben wie an den Kreidefelsen von Rügen. So wie der Maler sie auf seinem Bild verewigt hat, bekommt sie niemand zu Gesicht. Erstens sind zahlreiche Klippen bereits abgebrochen, zum anderen stimmen die Lichtverhältnisse nicht mit denen vor Ort überein.
Weil man in Kopenhagen, wo Friedrich studierte, keine Erinnerungen an den Maler findet, kann der Weg von Mecklenburg-Vorpommern direkt nach Sachsen führen. Erinnernswert ist ein mehrmonatiger Aufenthalt Caspar David Friedrichs im Jahr 1813 in Krippen in der Sächsischen Schweiz. Der Caspar-David-Friedrich-Weg ist heute ein interessantes Angebot für die Besucher, der mit Informationstafeln ausgestatteter Rundweg erinnert an den Besuch des Malers und zeigt Motive, die Friedrich in dieser Zeit gezeichnet hat. 2002 richtete die Stadt Bad Schandau den kulturhistorischen Rundweg nach Anregungen des Ortschaftsrates Krippen ein. Vom Ausgangs- und Endpunkt an der Krippener Fähre folgt man dem Elbradweg bis zur Eisenbahnunterführung und steigt dann über den Hangweg hinauf zum zum Hirschgrund nach Schöna. Ein Felsmotiv aus dieser Zeit erfuhr besondere Würdigung: Der große Felsblock, der noch heute am Aufstieg zur Kaiserkrone unmittelbar hinter den Häusern von Schöna liegt, findet Verwendung im berühmten Gemälde »Der Wanderer über dem Nebelmeer«, das Friedrich 1818 malte. Der Wanderer steht auf genau diesem Block. Über den Wolfsberg, Reinhardtsdorf und den Püschelweg geht es durch den Wald hinab nach Krippen. Vier Stunden sollte man mindestens dafür einplanen.
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Caspar David Friedrich in Dresden. Auf dem Trinitatisfriedhof ist er 1840 in einem sehr schlichten Grab beigesetzt worden. Friedrich hatte zuvor viele der dort stehenden repräsentativen Grabmäler entworfen und das Friedhofstor als Vorlage für sein Gemälde »Friedhofseingang« gewählt.
Thomas Albertsen

Artikel vom 02.12.2006