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Abgeklärte
Poesie, lyrische
Abgeklärtheit

Müller-Schott und Kulek bei Pro Musica

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Die typische Wunderkindkarriere hat er nie durchlaufen, auch wenn er mit 15 den sagenumwobenen Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewann. Eher im Stillen reifte Daniel Müller-Schott zu einem der gefragtesten Cellisten des Erdenrunds heran.

Auch im »Pro Musica«-Konzert wirkt der mittlerweile 29-Jährige zurückhaltend und bescheiden. Die Rolle des jungvirtuosen Tausendsassas sollen andere spielen, Daniel Müller-Schott »spielt lediglich Cello« -Ê wenn auch ein Goffriller, das um 1700 in Venedig gefertigt wurde. Die Abgeklärtheit, mit der er dabei agiert, wirkt angesichts seines jugendlichen Alters verblüffend.
Technisch beherrscht Müller-Schott längst alle Kniffe und kurvt unangestrengt durch die virtuosesten Passagen. Doch die Klarheit, mit der er jeden musikalischen Gedanken erfasst und ausformt, lässt aufmerken. Um jugendliches Ungestüm, Neckerei und Schelmerei zu erzeugen, braucht Müller-Schott die große Geste nicht. In absolutem Einklang mit Robert Kulek am Klavier federt der Künstler locker tänzelnd durch Beethovens Variationen über Mozarts Papageno- Arie »Ein Mädchen oder Weibchen«. Gerade mit so viel Verve und Impulsivität behaftet wie nötig.
Äußerst sparsam, gleichwohl differenziert in der Dynamik, dafür mit einnehmend gesanglichem Melos und bebendem Vibrato geht Müller-Schott drei Romanzen von Robert Schumann an, sensibel von Kulek begleitet. Die beiden schaffen es, bei allem Sentiment, das sie zutage fördern, sich in der Stimmung nie eindeutig festzulegen, sondern durch reizvolles Changieren zu betören.
Dazwischen lässt Daniel Müller-Schott sein Instrument seelenvoll und expressiv singen, derweil ihm Robert Kulek als Meister des subtil federnden, nuancenreichen Klavierspiels kongenial zur Seite steht.
Bohuslav Martinu (Sonate Nr. 1) und Sergej Prokofjew (Sonate op. 119) waren Komponisten mit osteuropäischen Wurzeln. Während Martinu nach der Emigration nie mehr in die kommunistische Tschechoslowakei zurückkehrte und unter dem Heimatverlust litt, unterwarf sich Prokofjew nach dem US-Exil freiwillig dem Diktat des Sowjetstaates.
Beide Interpreten überzeugten in sprechender Klangrede, geradlinig und frei ausschwingend. Martinu erklang in warm-flutender Empfindsamkeit und Sehnsucht. Und ihrem Prokofjew gewannen sie neben kantabler Ausbreitung wundervolle rustikale Effekte ab. Begeisterter Applaus.

Artikel vom 29.11.2006