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Helfer bezahlt
mit dem Leben

Freunde starten Aktion gegen Gewalt

Von Christian Althoff
Horn-Bad Meinberg (WB). Er wollte nur einen Streit schlichten -Êund hat mit seinem Leben bezahlt. Zwei Wochen nach dem gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Mannes aus Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) haben dessen Freunde eine Aktion gestartet, die das Andenken des Verstorbenen wahren soll und gegen Gewalt aufruft.

»Dass es ausgerechnet meinen Jungen getroffen hat, der sein ganzes Leben zu allen Menschen hilfsbereit gewesen ist - damit werde ich wohl nie fertigwerden«, sagt Tekla Haas (66). Ihr Sohn Jörg, von seinen Freunden »Jockel« genannt, war am 10. November abends mit einem Freund in Horn-Bad Meinberg unterwegs, als er sah, wie ein Türke auf einen Mann eintrat. Jörg Haas wirkte mit Worten auf den Täter ein, der daraufhin von seinem Opfer abließ. Als Haas Stunden später zufällig erneut dem Angreifer begegnete, zog dieser unvermittelt eine Wodkaflasche aus der Jacke und schlug sie Jörg Haas auf den Kopf. Der klagte über Schmerzen und legte sich zu Hause ins Bett, wo er Stunden später starb. Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink: »Der Mann hatte eine tödliche Hirnschwellung erlitten.«
Zur Beerdigung des Technikers, der in der Lemgoer Autositzfabrik Isringhausen beschäftigt war und neben seinem Vater beigesetzt wurde, waren etwa 300 Menschen gekommen. »Jockel war sehr beliebt und hatte einen riesigen Freundeskreis«, erzählt Thomas Kruse (39), Inhaber einer Werbeagentur. Er hat die »Aktion Jockel« ins Leben gerufen, damit die Hilfsbereitschaft seines Freundes weiterlebt: »Die Aktion ruft dazu auf, es Jörg nachzumachen: Nicht wegzusehen, wenn jemand Opfer von Gewalt wird, sondern ihm beizustehen«, sagt Thomas Kruse, der im Internet und mit Aufklebern für die gute Sache wirbt: »Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die Hemmschwelle zur Gewalt immer niedriger wird und Menschen sofort losprügeln«, sagt der Werbekaufmann, und er ist nicht allein: Die 500 Aufkleber »Nein zu Gewalt«, die er nach dem Tod von Jörg Haas hat drucken lassen, waren nach vier Tagen vergriffen, und in einer Internetliste gegen Gewalt haben sich bis gestern 80 Menschen eingetragen.
»Ich finde es großartig, dass die Freunde meines Sohnes nach dem schrecklichen Geschehen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen«, sagt Thekla Haas. Sie habe in den vergangenen Wochen unerwartet viel Anteilnahme erfahren - nicht nur aus dem Umfeld ihres Sohnes. »Es haben sogar wildfremde Türken kondoliert, die sich für die Tat ihres Landsmannes entschuldigt haben«, erzählt die 66-Jährige. Vom mutmaßlichen Täter habe sie allerdings bis heute nichts gehört. »Er sitzt weiter in U-Haft und bestreitet die Tat«, sagt Oberstaatsanwalt Höbrink, der den 19-Jährigen wegen Totschlags vor Gericht bringen will.www.aktion-jockel.de

Artikel vom 29.11.2006