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Die Wahl fällt
auf Cannavaro

Klose Siebter der Europa-Elite

Rom (dpa). Fabio Cannavaros Karriere gleicht einem Märchen: Vom Balljungen zum Weltmeister in seinem 100. Länderspiel - und dann wird der Italiener auch noch zu Europas Fußballer des Jahres gewählt.
Dass er als Abwehrspieler in dem sonst von Stürmerstars dominierten Kicker-Zirkus in diesem Jahr zum besten Spieler des Kontinents gekürt wurde, ist für ihn eine große Genugtuung. »Für mich geht ein Traum in Erfüllung«, jubelte Cannavaro. Ausgerechnet einer der Kleinsten war für die Experten im WM-Jahr der Größte.
Die Jury der Fachzeitschrift »France Football« gab dem Verteidiger von Real Madrid 173 Punkte. Cannavaro lag damit vor Italiens Nationalkeeper Gianluigi Buffon (Juventus Turin/124), Thierry Henry (FC Arsenal/121) und Vorjahressieger Ronaldinho (FC Barcelona/73). Bester Deutscher war WM-Torschützenkönig Miroslav Klose (Werder Bremen) mit 29 Punkten als Siebter. Während Jens Lehmann, Lukas Podolski und Philipp Lahm immerhin Berücksichtigung fanden, blieben die Deutschen Michael Ballack (FC Chelsea) und Bastian Schweinsteiger (FC Bayern München) ohne Punkt.
1990 warf der gerade mal 1,75 Meter große Cannavaro Diego Maradona noch als Balljunge beim WM-Halbfinale Italien gegen Argentinien in Neapel den Ball zu, 16 Jahre später lobte ihn Maradona als besten Abwehrchef der Welt: »Italien sollte ihm ein Denkmal setzen«, sagte er über den seiner Meinung nach »besten Spieler der WM«. Nicht Zinedine Zidane hatte diesen Titel verdient, sondern der Abwehrchef der Squadra Azzurra. Darüber war man sich in Italien einig. »Fußball-Frankreich geht noch einmal in die Knie«, schrieb »Il Giornale«.
In Frankreich fiel das Echo dagegen sehr unterschiedlich aus. »Im Vergleich zu anderen großen Fußballern hat Cannavaro den Titel vielleicht nicht verdient. Er hat zwar eine großartige WM gespielt, aber keine großartige Saison«, meinte Ex-Nationalspieler Jean-Pierre Papin. Und Trainer Gerard Houllier von Olympique Lyon sagte gar: »Das ist der größte Skandal - gegen Thierry Henry gab es eine Kampagne.«
Dass Cannavaro dem im Liga-Skandal zum Zwangsabstieg in die Serie B verurteilten Rekordmeister Juventus im Gegensatz zu Alessandro Del Piero und Buffon nicht die Treue hielt und zu Real wechselte, nahm ihm in Italien keiner übel. Seit der grandiosen Leistung des 33-Jährigen in Deutschland, wo ihn »La Gazzetta« schon vor dem Finalsieg über Frankreich zum »Kaiser di Germania« ausrief, wird dem kleinen Mann mit den kurzen Haaren alles verziehen.
Ohne »echtes« Gegentor hatte der überragende Kapitän seine »Azzurri« ins Finale geführt, in dem er gewohnt fehlerlos spielte. »Er ist einfach Weltklasse«, lobte ihn Nationaltrainer Marcello Lippi. Für Buffon ist Cannavaro »ein echter Kerl, ein Kämpfer, der ein Fußballspiel als Schlacht versteht«. Dabei bleibt Cannavaro aber stets fair, kassierte bei der WM keine einzige Gelbe Karte.
Routine, Durchsetzungsfähigkeit, Wendigkeit und ein perfektes Stellungsspiel machen Cannavaro zum bestem Abwehrchef der Welt. Seine Karriere begann er zu Maradonas glorreichen Zeiten beim SSC Neapel. Hier verlegte er sich auf das Tore-Verhindern. Die Tifosi bewundern den fairen Kämpfer, die weiblichen Fans den Modell-Athleten, der in Dolce & Gabana-Unterwäsche mit männlich-entschlossenem Blick von den Litfaßsäulen herabschaut. Wie auf dem Platz ist Cannavaro auch im Privatleben ein Teamspieler: Statt Affären mit diversen Showgirls genießt der Neapolitaner das Familienleben mit seiner Frau und den zwei Kindern.

Artikel vom 28.11.2006