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Neue Ära in der
Hochschulpolitik

Von Laura-Lena Förster
Vom 1. Januar 2007 an gilt für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ein neues Gesetz: das Hochschulfreiheitsgesetz. Der Landtag hat es am 25. Oktober beschlossen und damit laut NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) eine »neue Ära in der Hochschulpolitik eingeläutet«. Was ist wirklich neu an dem Gesetz mit dem sperrigen Namen?

Mit dem Jahreswechsel werden die 14 staatlichen Universitäten und zwölf staatlichen Fachhochschulen, die es in NRW gibt, autonom. Das heißt: Sie sind keine staatlichen Einrichtungen mehr. Das Düsseldorfer Wissenschaftsministerium hat weiterhin die Rechts-, aber nicht mehr die Fachaufsicht. »Katastrophale Auswir-        kungen für das Selbstverwal-tungsideal« be-fürchtet Janosch      Stratmann, Koordinator des Landes-ASten-Treffens. »Die Hochschule hat das Schicksal in ihrer Hand«, sagt Prof. Beate Rennen-Allhoff, Rektorin der Fachhochschule Bielefeld. Wird beispielsweise ein Lehrstuhl oder eine Professur neu besetzt, entscheidet allein die Hochschule über den Kandidaten. Das Ministerium wirkt bei Berufungen nicht mehr mit, will aber generelle Vorgaben machen, um die Qualität zu sichern.
Nicht nur beim Personal, sondern auch bei den Finanzen bekommen die Hochschulen Handlungsfreiheit. Den laufenden Betrieb bezahlen und Investitionen tätigen sie weiterhin mit Landeszuschüssen. Die Landeshaushaltsordnung NRW gilt für sie aber nicht mehr. So können die Hochschulen künftig einen Kredit aufnehmen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Bedingung ist, dass die Hochschule ihre Mittel wirtschaftlich verwendet hat und ihr Jahresabschluss bestätigt wurde.
»Die Unternehmen werden auf diesem Weg nicht zu Unternehmen. Aber sie werden unternehmerischer geführt«, sagt Minister Pinkwart. Und: Sie können unter erleichterten Voraussetzungen Unternehmen errichten, übernehmen, erweitern und sich daran beteiligen, sofern bestimmte Auflagen einhalten werden beispielsweise die finanzielle Beteiligung aus freien Rücklagen der Hochschule erfolgt.
Tatsächlich kann eine Hochschule nach dem neuen Gesetz zahlungsunfähig werden. Für Prof. Beate Rennen-Allhoff ein Risiko, dem die Hochschulen mit qualitativen Leistungen, also einem attraktiven Lehrangebot und einem schärferen Profil, entgegenwirken müssen. »Für uns gilt das im Maschinenbau, Gesundheits- und Sozialwesen, im Bau- und Gestaltungsbereiche«, sagt sie. Droht die Zahlungsunfähigkeit dennoch, wird ein »Staatskommissar« eingesetzt und ein Haushaltssicherungskonzept aufgetragen. Das Land garantiert die Fortzahlung der Gehälter und den Studenten, dass sie ihren Abschluss auf jeden Fall machen können.
Verändert werden auch die Leitungsstrukturen. Die zentralen Organen sind fortan: das Präsidium (in Bielefeld Rektorat), die Präsidentin oder der Präsident (Rektor), der Hochschulrat und der Senat. Das Kuratorium fällt als beratendes Gremium weg. An seine Stelle tritt der Hochschulrat, laut Prof. Beate Rennen-Allhoff eine Art Aufsichtsrat: »Er ersetzt gewissermaßen das Ministerium.«
Je nach Grundordnung einer Hochschule besteht der Rat aus sechs, acht oder zehn Mitgliedern, von denen mindestens die Hälfte Externe sind. Der Vorsitzende muss von außerhalb der Hochschule kommen. Alle Mitglieder sollten verantwortungsvolle Positionen in der Gesellschaft haben oder gehabt haben. Sie werden von einem Auswahlgremium, dem zwei Senatsvertreter, zwei Mitglieder des bisherigen Hochschulrates und ein Vertreter des Landes mit zwei Stimmen angehören, vorgeschlagen. Der Senat bestätigt und das Ministerium ernennt sie schließlich. »Die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre wird faktisch abgeschafft, wenn das Ministerium der Besetzung des Hochschulrates zustimmen muss«, sagt Janosch Stratmann. »Das kann eigentlich nicht sein, wenn die Hochschule frei von politischem Einfluss sein soll.«
Der Hochschulrat wählt als neues Organ unter anderem die Mitglieder des Rektorats (bisher Aufgabe es Senats) und stimmt dem Hochschulentwicklungsplan und der Zielvereinbarung zu. »Er bekommt im Grunde alle Kompetenzen, die anderen Hochschulgruppen werden entmachtet. Das hat katastrophale Auswirkungen: Im Hochschulrat werden höchstwahrscheinlich viele Wirtschaftsvertreter sitzen. Und sie haben das Interesse, Studiengänge ihren Betrieben anzupassen«, sagt Janosch Stratmann.
Das Präsidium oder Rektorat setzt sich aus mindestens zwei hauptamtlichen Mitgliedern zusammen. Es leitet wie bisher die Hochschule und entwirft den Hochschulentwicklungsplan.
Der Senat wählt also nicht mehr das Präsidium/Rektorat, muss es aber bestätigen. Darüber hinaus erlässt und verändert er aber nach wie vor die Grundordnung und spricht Empfehlungen für die Zielvereinbarung und die Ressourcenverteilung aus.
Inwieweit und ob all diese Veränderungen »ein Meilenstein bei der Aufholjagd« (Zitat Minister Pinkwart) sind, kann Prof. Beate Rennen-Allhoff noch nicht sagen. Wohl aber, dass sie den Wettbewerb zwischen den Hochschulen vergrößern. Die Fachhochschule überlegt deshalb jetzt schon, was sie im neuen Jahr anbieten kann und will. Eine privatwirtschaftliche Gesellschaft, die sich mit Forschung, Entwicklung und Transfer beschäftigt, ist eine Idee - womöglich umgesetzt schon zum 1. Januar 2007.

Artikel vom 05.12.2006