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Es gab auch
Menschliches

ZDF startet »Die Kinder der Flucht«

Von Carsten Rave
ZDF, 20.15 Uhr: »Diejenigen, die unser Schicksal im Fernsehen verfolgen, haben die Chance, den Apparat auszuschalten - wir hatten diese Gelegenheit nicht«, sagt Heinrich Krenzler.

Er war einer von den kleinen Jungen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wie viele Tausende aus Ostpreußen vertriebener deutscher Kinder im benachbarten Litauen ziellos umherstreiften und um Lebensmittel bettelten. »Wolfskinder« heißt einer von drei Teilen, aus denen die Reihe »Die Kinder der Flucht« besteht. Sie beginnt heute mit »Eine Liebe an der Oder« und erzählt das Schicksal junger Menschen in der Nachkriegszeit.
Verantwortlich für das Programm ist der ZDF-Historiker Guido Knopp, die Bücher schrieb Hans-Christoph Blumenberg, der auch die Regie führte. Als Erzählform wählte Knopp das Dokudrama und die »szenische Inszenierung«. Zeitzeugen berichten, wenn irgend möglich werden Originalbilder eingespielt. In vielen Fällen, wie zum Beispiel bei den »Wolfskindern«, fehlen Dokumentaraufnahmen. So mussten Kinder in die Rolle der entwurzelten Jugendlichen schlüpfen, allerdings wirken sie in den Szenen, als hätten sie bloß eine Stunde auf dem Bauspielplatz im Dreck gespielt.
Das ZDF schließt mit dem Dreiteiler an die Reihe ÝDie große FluchtÜ aus dem Jahr 2001 an. »Nach dem Krieg haben sich nicht wenige geschämt, darüber zu sprechen«, sagt Knopp. »Die Wunden heilten mit den Jahren, doch die Narben schmerzen bis heute. Fast 60 Jahre sind vergangen, bis die Opfer von damals wirklich Gehör fanden. »Die große Flucht« gab ihrer Geschichte erstmals ein breites Forum. Ein überzeugendes Indiz, wie sehr das Thema Menschen angeht und bewegt, war die enorme Resonanz auf unsere Fernsehreihe. In Tausenden von Briefen haben wir erfahren, dass ihre Botschaft verstanden worden ist: Versöhnung braucht Erinnerung.«
Nicht alle Erinnerungen, hat das ZDF herausgefunden, sind geprägt von Trauer. Immer wieder gab es in den Wirren des Krieges auch menschliche Begegnungen zwischen Deutschen, Polen und Russen. Wie etwa die Liebe zwischen der Deutschen Elvira und dem Polen Fortek. Nach ihrer gewaltsamen Trennung sollte es sechs Jahrzehnte dauern, bis die beiden sich wiederfanden und am Ende heirateten. Ihre außergewöhnliche Geschichte, gespielt von deutschen und polnischen Schauspielern, bildet den Auftakt der Trilogie. Die »Wolfskinder« folgen am 5. Dezember und der Film »Breslau brennt!« am 12. Dezember.

Artikel vom 28.11.2006