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»Birne« lähmt Beine

Axel Schulz: Physis top, die Nerven ein Flop

Von Oliver Kreth
Bielefeld (WB). Noch bitterer als die Schläge waren einige Kommentare aus dem Publikum im Gerry Weber-Stadion. Auch sie hat Axel Schulz geschluckt und sich nach seinem Kampf der Kritik offen gestellt. »Ich war beschissen«, sagte er kurz und knapp.

Die Nervosität hatte seinen Körper wieder im Griff. Dass es im Comeback-Kampf so sein könnte, fürchtete er schon nach dem Pressetraining. Da waren seine Beine so zittrig, dass er nicht mal im ersten Versuch durch die Ringseile schlüpfen konnte, er rutschte aus.
Nach dem Sechs-Runden-Debakel gegen Brian Minto (USA) am Samstag brachte er es sprachlich perfekt auf den Punkt: »Die Stimmung in der Halle hat mich erdrückt. Es war, als wenn ich gegen eine Wand gelaufen wäre.«
Denn an der Trainingsvorbereitung kann es nicht gelegen haben. Physisch zählte Axel schon immer zu den Fittesten. Das lag auch an der Ring-Philosophie, die sein langjähriger Trainer Manfred Wolke ihm eingeimpft hatte. So rannte der 100-Kilo-Mann die zehn Kilometer locker in 40 Minuten. Und man kann nur hoffen, dass er den blödsinnigen Spruch der Kiez-Größe Karl-Heinz Schwensen (»Ich hätte in Pumps und Seidenstrümpfen gegen Axel boxen können«) nicht ernst nimmt. Denn ein Schlag des gescheiterten Schwergewichtes würde noch immer reichen, um ihm schwerere Verletzungen zuzufügen als die Schusswunde, die ihm am 23. August 1996 bei Revierstreitigkeiten in St. Pauli beigebracht wurde.
Überhaupt ist erstaunlich, dass so wenige Menschen nachvollziehen können, warum Axel Schulz im Ring versagt hat. Prüfungsangst oder Trainingsweltmeister sind Begriffe, mit denen jeder etwas anfangen kann. Und nichts anderes ist passiert. Verkürzt ausgedrückt: Die »Birne« hat die Beine breit gemacht. Und in einer solchen Situation macht es keinen Unterschied, ob man für seinen Job fünf Euro pro Stunde bekommt oder 1,5 Millionen für maximal 30 Minuten.
Und auch eine andere Milchmädchenrechnung geht nicht auf. Von dieser Summe bleiben dem Unterlegenen nicht mal 30 Prozent. Denn »Schulle«, der sich seit elf Monaten auf den Kampf vorbereitet und 18 Trainingseinheiten wöchentlich absolviert hatte, muss neben den steuerlichen Abgaben auch noch sein Team bezahlen.
Spannend wird jetzt sein, wie die Schulterklopfer von gestern reagieren. Aber auch da hat Axel schon bittere Erfahrungswerte. »1995, nach der Niederlage gegen Francois Botha, wollte ich aufhören. Ich war der Depp der Nation. Manfred Wolke hat mir nicht mal mehr die Handschuhe zugemacht. Da habe ich gesehen, wie Menschen mit einem umgehen können. Nur drei aus der Boxszene und mein Matchmaker Jean-Marcel Nartz riefen an und sagten: Du bist ein guter Typ. Es geht irgendwie weiter. Boxen ist nicht alles.«

Artikel vom 28.11.2006