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Anfänger dürfen eigenständig unterrichten

Fehlentscheidung der früheren NRW-Landesregierung muss endlich korrigiert werden


Zu dem Bericht »Hochstapler betrügt Schüler, blamiert Gymnasium und diskreditiert Latein«:
Seit der launigen Verfilmung der »Feuerzangenbowle« mit Heinz Rühmann wissen wir, wie leicht es ist, eine Unterrichtsstunde in eine spaßige Provinzposse zu verwandeln - wenn alle kräftig mitmachen oder wegsehen.
Aber die Zeiten sind leider nicht mehr so problemlos wie in der Penne der guten alten Zeit. Darum ist es kein Jux, sondern ein Skandal ersten Ranges, wenn ein hochstapelnder Hanswurst mit Hilfe einer dilettantischen Urkundenfälschung die Lizenz erhält, ein halbes Jahr lang in einem angesehenen OWL-Gymnasium groben Unfug zu veranstalten, jungen Leuten unwiederbringliche Lebenszeit zu stehlen und dabei das Fach Latein zu diskreditieren.
Diese Muttersprache Europas hat sich trotz herablassender Kritik bisher so gut im Fächerkanon gehalten, weil sie in jedem Lehrerjahrgang hervorragende Fachvertreter aufzubieten hat. Sie hat Schwindler nicht verdient.
Kein Beruf steht so sehr im Blickfeld allgemeinen Interesse wie der des Lehrers, und bei einem Studienreferendar potenziert sich diese aufmerksame Kontrolle, jedenfalls konnte man das bisher vermuten. Ein Lehramtsanwärter hat ständig mit folgenden Personen zu tun: mit den Fachkollegen und Fachkolleginnen, insbesondere dem Fachkonferenzvorsitzenden und dem Leiter der Ausbildungsschule, mit mindestens zwei Fachleitern und dem Leiter des Studienseminars, mit den Fachberatern und den Fachdezernenten sowie dem Seminardezernenten der Bezirksregierung, ganz zu schweigen von den gewählten Eltern- und Schülervertretern und der Personalabteilung der Bezirksregierung.
Zahlreiche Ausbilder sind Mitglieder der Fachprüfungsausschüsse beim Wissenschaftlichen Prüfungsamt in Bielefeld und pflegen enge Kontakte zur Universität. Aber niemandem von diesen ist aufgefallen, dass ein Scharlatan ohne Kenntnisse mit gefälschten Papieren in einem Gymnasium sein Unwesen treibt und neun Stunden pro Woche ohne Aufsicht und Notbremse Schülern die Zeit stiehlt, indem er ein Schulfach verhunzt! Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man diesen Nachtrag zur PISA-Studie hier mit dem Kommentar schließen: »Difficile est satiram non scribere« - »Es ist schwierig, darüber keine Satire zu schreiben«...
Aber die Sache hat noch einen Haken: Seit Jahren sollen unausgebildete Anfänger ohne Rücksicht auf ihre fachliche und pädagogische Reife in erheblichem Umfang eigenständigen Unterricht erteilen und Noten vergeben, um so für Billiglohn den dringenden Lehrerbedarf in NRW zu kaschieren. Diese schulpolitische Fehlentscheidung der früheren Landesregierung führt die jetzige unbeirrt fort. Sie muss unverzüglich korrigiert werden. Sonst wird die Qualität der Schulbildung in NRW weiterhin ein Problem bleiben, und weitere Schülergenerationen werden benachteiligt.
KLAUS METELMANNStudiendirektor a.D.,ehemaliger Fachberater Lateinbei der Bezirksregierung Detmold
33175 Bad Lippspringe

Artikel vom 15.12.2006