30.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Stummfilm - oder nicht?

Originell: »Der die Tollkirsche ausgräbt«


Wenn im Stummfilm einer spricht, geht es nicht mit rechten Dingen zu. In Franka Potentes Regiedebüt »Der die Tollkirsche ausgräbt« geschehen in der Nacht vor der Hochzeit seltsame Dinge. Man schreibt das Jahr 1918, und ein Mädchen aus armem Hause soll mit einem ungeliebten Menschen verheiratet werden. Sie aber verfällt einem seltsamen Wesen aus einer anderen Welt. Mit einem originellen kleinen Stummfilm, 43 Minuten lang, hat die Schauspielerin Franka Potente ausprobiert, was sie als Regisseurin kann.
Franka Potente steigt hinab in die Ära des Kintopp und des expressionistisch romantischen Schauermärchens. Sie zitiert und persifliert die Manierismen jener Tage - nur um ihr »Silent Movie« in einer absurden Wende schließlich mit Geräuschen aus der Zukunft zu unterwandern.
In Ceciles (Emilia Sparagna) Elternhaus bewegen sich alle etwas steif und kommunizieren über Schrifttafeln. Der Hund spielt mit einem weißen Band, das aus dem Rasen wächst, und so wird eine Mumie entdeckt, die plötzlich die Tonspur beansprucht: Ein Berliner Punk (Christoph Bach), der, von einer Aura der Geräusche umgeben, spricht! Worte bleiben trotzdem überflüssig, weil sich die durch ein Jahrhundert Kinogeschichte getrennten Figuren sowieso nicht verständigen können.
Der spontanen Liebe zwischen Cecile und dem Punk genügen die Ausdrucksformen des Stummfilms und das schauerlich schöne Tollkirschen-Ritual in der Nacht.

Artikel vom 30.11.2006