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SPD grenzt sich klar vom
Koalitionspartner ab

Union vor politischen Alleingängen gewarnt

Berlin (dpa). Unmittelbar vor dem heutigen CDU-Parteitag in Dresden hat sich die SPD programmatisch klar vom Koalitionspartner abgegrenzt. SPD-Chef Kurt Beck und Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) warnten die Union eindringlich vor politischen Alleingängen.
Stellt Vereinbarungen zum Bleiberecht in Frage: Fanz Müntefering.

Dies gelte besonders für die Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Einschränkung der Mitbestimmung. Beides sei mit der SPD nicht zu machen, erklärten sie am Samstag bei einer SPD-Programmkonferenz in Berlin. Sie kündigten an, dass die SPD trotz Ablehnung durch Kanzlerin Merkel (CDU) am Ziel von Mindestlöhnen offensiv festhalten wolle.
Beck bot Merkel ein Spitzengespräch über die Weiterentwicklung von so genannten Investivlöhnen in Deutschland an. Auch die Sozialdemokraten seien dafür, Arbeitnehmer stärker an Unternehmensgewinnen zu beteiligen. Die SPD werde dazu in Kürze ein eigenes Konzept vorlegen. Beck machte deutlich, dass er darin auf Garantien für die Arbeitnehmer achten werde. Sie müssten im Falle einer Pleite ihrer Firma vor einem Verlust der Rücklagen geschützt werden. Es dürfe auch keine Aushöhlung von Tarifautonomie und Mitbestimmung geben.
Nach Becks Worten wird die SPD an gesetzlichen Mindestlöhnen festhalten. Eine bundeseinheitliche Lösung sei aber nicht sinnvoll. Weiter Vorrang haben sollten tarifliche Regelungen und das Entsendegesetz, bei dem in bestimmten Branchen ein Mindestlohn für verbindlich erklärt wird. Nach seiner Ansicht sollten die von der Union favorisierten Lohnzuschüsse (Kombilohn) bei der Neuregelung der Niedrigeinkommen nur eine »ergänzende« Rolle haben.
Müntefering verwies darauf, dass mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer in Deutschland keine Tarifverträge mehr hätten. Von 3,15 Euro Stundenlohn wie etwa im ostdeutschen Friseurhandwerk könne niemand leben. »Wir müssen die Zeit der großen Lohnspreizung beenden«, forderte er.
Der Vizekanzler stellte auch die Vereinbarungen der Länder-Innenminister zum Bleiberecht in Frage. Er verlangte, dass mindestens 100 000 der insgesamt 180 000 in Deutschland geduldeten Ausländer ein ständiges Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis bekämen. Die Innenminister-Konferenz hatte sich darauf verständigt, zunächst nur 20 000 Menschen ein Bleiberecht zu geben.
Strikt verwahrten sich Beck und Müntefering gegen die Aufweichung des Kündigungsschutzes. Jungen Familien würde dadurch die Sicherheit genommen, ihre Kinder ernähren zu können, sagte der SPD-Chef. »Das ist mit der SPD nicht zu machen. An dieser Stelle müssen wir stehen«, bekräftigte Müntefering. Dies gelte auch für die Vorschläge des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) zum Arbeitslosengeld I. Es sei sozial ungerecht, diese Leistungen für Ältere zu Lasten der Jüngeren zu finanzieren.
Beck plädierte für mehr Gemeinschaftsgefühl in der Gesellschaft. Die SPD dürfe sich nicht damit abfinden, dass immer mehr Menschen in Armut und und sozialer Ausgrenzung lebten. »Wenn wir das täten, würden wir als Sozialdemokraten unserer Seele verlieren«, warnte er.

Artikel vom 27.11.2006