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Zu brav und bescheiden
für die Rat-Pack-Stars

Licht und Schatten bei Helmut Lotti in der Stadthalle

Von Thomas Albertsen
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Er war schon musikalisch zu Gast in Russland, Afrika und Lateinamerika, huldigte Elvis Presley, versuchte sich an Klassik. Und nun hat Helmut Lotti auch noch den Jazz für sich entdeckt.

Genauer gesagt die Crooner, jene Interpreten US-amerikanischer Tradition, die das Liedgut der Neuen Welt im vergangenen Jahrhundert geprägt haben. Deren Songs präsentierte er auf der zweiten Station seiner Deutschland-Tournee an zwei Abenden in der Bielefelder Stadthalle. Begeistert gefeiert vom Publikum, bot der smarte Belgier mehr als zwei Stunden tolles Entertainment, immer wieder unterbrochen von Fans, die ihrem Star Blumen und Präsente überreichten und dafür mit einem Küsschen bedacht wurden.
Indes, es war ein äußerst zwiespältiges Konzert, denn mit der Wahl seines Repertoires bewies der Liebling aller Schwiegermütter nicht immer ein glückliches Händchen. Lotti ist viel zu brav und bescheiden, als dass er überzeugend in die Rolle der Rat-Pack-Stars schlüpfen könnte. Auch stimmlich kann er sich nicht mit Frank Sinatra oder Dean Martin messen. Hingegen scheinen die Hits von Perry Como auch Helmut Lotti auf den Leib geschrieben: »Mandolins In The Moonlight« oder »Caterina« intoniert er mit ebensoviel Gefühl wie Charme. Dass er allerdings durchaus ein feines Gespür für diese Art Musik hat, bewies er mit eigenen Kompositionen, die die Ära der Crooner nun ins 21. Jahrhundert verlängern. »The Most Expensive Girl« hat das Zeug, zu einem Evergreen des Genres zu werden. Dieses Lied würde auch einem Paul Anka zur Ehre gereichen. Es ist schon ein wenig kurios: Lotti überzeugt mit seinen unbekannten, eigenen Liedern weitaus mehr als mit bühnenerprobten Gassenhauern.
Licht und Schatten auch beim Orchester: Für das US-Repertoire war es eindeutig falsch besetzt, so vermisste man schmerzlich ein Saxophon, außerdem passte das Verhältnis von Streichern zu Bläsern nicht. Denn »croonen« heißt nicht weichspülen! Und warum durfte keiner der Musiker sich mal mit einem Solo präsentieren? Lotti sollte seine Instrumentalisten nicht auf die Funktion des reinen Dienstleisters beschränken, sondern ihnen, ähnlich wie Udo Jürgens oder André Rieu, ein wenig mehr Rampenlicht gönnen.
Nach der Pause, als Lotti die Bielefelder auf eine musikalische Weltreise mitnahm, gewann das Konzert rasant an Qualität und entwickelte sich geradezu mitreißend. Walzerseligkeit und italienische Canzoni, dramatischer Tango und knackige Samba, eine atemberaubende Version von »Granada« - und beim hebräischen »Hava nagila« hielt es dann keinen mehr auf dem Stuhl.
Zwischenzeitlich bewies Helmut Lotti bei »Pata Pata« auch noch, dass er die Klicklaute der südafrikanischen Xhosa perfekt beherrscht. Ein Elvis-Medley schlug dann den Bogen zurück in die Crooner-Ära - und mit »Nessun dorma« endete ein Konzert, dass unter dem Strich angenehme Unterhaltung bot.

Artikel vom 27.11.2006