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Chelsea-Bezwinger im Rausch:
Werder ist eine andere Welt

Arminia geht an der Weser unter und ist mit dem 0:3 noch gut bedient

Von Werner Jöstingmeyer
Bremen (WB). Zwei Fußballwelten trafen im Weserstadion aufeinander. Der Deutsche Vizemeister Werder Bremen demonstrierte drei Tage nach dem Sieg in der Champions League gegen FC Chelsea auch gegen Arminia seine Extraklasse und erledigte die Bundesliga-Hausaufgaben souverän mit 3:0.

»Dass unsere tolle Serie mit acht niederlagenfreien Spielen in Bremen zu Ende ging, ist okay«, befand Bielefelds Finanz-Geschäftsführer Roland Kentsch. Dabei hatten sich die Arminen so viel vorgenommen. Endlich sollte an der Weser das erste Erfolgserlebnis her. »Wenn wir in Führung gegangen wären, hätte die Partie vielleicht einen anderen Verlauf genommen«, meinte DSC-Sportchef Reinhard Saftig und war sich mit seinem Bremer Kollegen Klaus Allofs einig: »Die Chancen dafür waren jedenfalls da.«
Auch ohne den erkrankten Sibusiso Zuma (Magen-Darm-Infekt) trumpften die Bielefelder Gäste zunächst selbstbewusst auf. Als Christian Eigler mit einem feinen Pass in den freien Raum Sturmpartner Artur Wichniarek auf die Reise schickte und der Pole nur das Außennetz traf, stockte den 40 792 Zuschauern der Atem. Wenig später hatte Eigler Pech, dass sein leicht abgefälschter Drehschuß von der linken Seite knapp am rechten langen Pfosten vorbeisauste. Zudem brachte Jörg Böhme das Leder nicht unter Kontrolle. »Spätestens da haben wir erkannt, warum Arminia auf Rang sechs steht«, meinte Nationalverteidiger Clemens Fritz, der insgesamt aber von den Gästen mehr Gegenwehr erwartet hatte.
Vielleicht lag's ja am Trompetensignal aus dem Lautsprecher. Werder blies plötzlich zur Attacke und stürzte die ostwestfälische Defensivabteilung von einer Verlegenheit in die andere. Die erste Warnung per Kopf von Hugo Almeida nach einer Frings-Ecke klärte Bernd Korzynietz soeben noch auf der Torlinie.
Noch in der selben Minute begann die Gala-Vorstellung von Miroslav Klose. Dabei hatte er Glück, dass Korzynietz einen Almeida-Pass abfälschte und ihm das Leder genau in den Lauf legte. Korzynietz und Gabriel hechelten hinterher, ohne den Nationalstürmer am ersten Torerfolg hindern zu können.
Kurz vor dem Pausenpfiff leitete ausgerechnet Heiko Westermann unter den Augen von U 21-Nationalcoach Dieter Eils die Bielefelder Niederlage ein. In der Vorwärtsbewegung verlor er den Ball. Almeidas Distanzschuss konnte Keeper Hain zwar noch zur Seite boxen, aber Klose schaltete schneller als die gesamte Arminia-Abwehr und überliste den tüchtigen Bielefelder Schlussmann mit seinem zweiten Treffer aus spitzem Winkel ins lange Eck.
»An sich war die erste Halbzeit recht offen. Aber Bielefeld hat seine Torgefährlichkeit nicht umgesetzt«, meinte der verletzte Ex-Armine Patrick Owomoyela, der von der Tribüne aus das Geschehen verfolgte. Seine Prognose, »dieses 2:0 lassen wir uns nicht mehr aus der Hand nehmen«, bewahrheitete sich deutlich. Werder spielte sich in einen wahren Rausch. Während Bremens Torwart Tim Wiese sehr ruhige zweite 45 Minuten verlebte und nicht einen Bielefelder Schuss parieren musste, lief sein Gegenüber Mathias Hain zur Höchstform auf. Bei ihm durften sich die Kollegen bedanken, dass die Partie nicht mit einem Debakel endete. Im Bremer Angriffswirbel behielt der Kapitän als einziger einen klaren Kopf und riskierte diesen mehrfach gegen Tim Borowski und den unermüdlichen Klose.
Der dritte Bremer Streich durch Aaron Hunt nach blitzschneller Vorarbeit von Pierre Womé und Klose war ein Stück aus dem Lehrbuch. Selbst Arminias Trainer Thomas von Heesen äußerte sich begeistert: »Werder hat eindeutig unterstrichen, dass diese Mannschaft derzeit in Deutschland den besten Fußball spielt.« Dem wollte der kritische Bremer Coach Thomas Schaaf nicht widersprechen: »Jeder hat bei uns am Spiel teilgenommen. Es hat Spaß gemacht zuzuschauen.«
Trotz der Überforderung seiner Schützlinge machte von Heesen gute Miene zu deren schwachem Spiel: »Das war heute auch eine Willensschulung, weil die Mannschaft alles versucht und sich nicht aufgegeben hat.« Einig war sich der angehende Fußballlehrer mit DSC-Vorständler Roland Kentsch: »Werder ist nicht unser Level. Mit einer etwas schwächeren Leistung haben wir heute gegen den bisher stärksten Gegner völlig verdient verloren.«

Artikel vom 27.11.2006