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Spendenbetrügern wird
der Prozess gemacht

Falsche Retter sollen 1,4 Millionen Euro ergaunert haben

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). Einst ließen sie für Flugrettung und Unfallhilfe Mitglieder werben, nun müssen sich zwei mutmaßliche Spendenbetrüger vor einer Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes verantworten.

Die Schwerpunktabteilung der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität hat Anklage gegen zwei türkischstämmige Brüder aus Bielefeld erhoben. Die 38 und 40 Jahre alten Männer sollen sich in der Zeit von Juni 2000 bis Sommer 2006 in 72 Fällen der Steuerhinterziehung, des gewerbsmäßigen Betruges, der Untreue, der Anstiftung zum Betrug, der Urkundenfälschung und des Gründungsschwindels schuldig gemacht haben. Angerichteter Schaden laut Staatsanwaltschaft: 1,412 Millionen Euro.
Als Haupttäter gilt der seit August dieses Jahres in Untersuchungshaft sitzende 40 Jahre alte Angeklagte. Der türkische Radio- und Fernsehmechaniker verstand es offenbar geschickt, bundesweit bei gutgläubigen Opfern das Geschäft mit der Hilfsbereitschaft für sich auszunutzen. So soll der Mann die treibende Kraft hinter zwei dubiosen Flugrettungsdiensten in Steinhagen sowie Mannheim und einem unseriösen Unfallhilfeverein mit Sitz an der Herforder Straße in Bielefeld gewesen sein. Die Beiträge der knapp 13 000 Mitglieder, so genannte Förderschaften, wurden nach den Ermittlungen von Kripo und Staatsanwaltschaft jedoch nicht wie versprochen für die Flugrettung oder die Finanzierung von Krankenwagen ausgegeben. Laut Anklage landete das Geld in den Taschen der Angeklagten. Allein der 40-jährige Bielefelder, der zudem von Juli 2000 bis Oktober 2003 zu Unrecht 48 800 Euro Sozialhilfe kassiert hatte, soll einen Steuer- und Vermögensschaden von insgesamt 1,223 Millionen Euro angerichtet haben.
Dabei überließ der Bielefelder offenbar nichts dem Zufall. Als »faktischer Vorstandsvorsitzender« des Vereins »D-Unfallhilfe«, so steht es in den Akten der Staatsanwaltschaft, war der 40-Jährige gleichzeitig Geschäftsführer des Werbeunternehmens ANB GmbH. Unfallhilfeverein und ANB saßen an der Herforder Straße Tür an Tür im Dachgeschoss, die ANB-Drückerkolonnen sollen bei Haustürgeschäften oder am Telefon auch um Mitgliedschaften für die »D-Unfallhilfe« geworben haben. Dabei gaukelten die Werber in professioneller Rettungsdienstkleidung (rote Jacke, weiße Hose) ihren Opfern Vertrauenswürdigkeit vor.
Selbst ein Verbot des unseriösen Unfallhilfevereins durch das Düsseldorfer Innenministerium am 19. Oktober vergangenen Jahres beeindruckte den 40-jährigen Haupttäter nicht. Laut Ermittlungsakten gab der Türke die Anweisung, weiter Beiträge von den 2569 Mitgliedern der »D-Unfallhilfe« einzuziehen.

Artikel vom 27.11.2006