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EU droht mit härterer Gangart

Türkische Regierung lässt in der Zypern-Frage Ultimatum verstreichen

Tampere (dpa). Die EU hat der Türkei wegen des Zypern-Streits mit einer härteren Gangart in ihren Beitrittsverhandlungen gedroht. Sie reagierte damit gestern vor dem EU-Mittelmeer-Treffen in Tampere auf die Weigerung der Regierung in Ankara, Schiffen und Flugzeugen vom griechisch-zyprischen Südteil der Insel freien Zugang zur Türkei zu gewähren.

»Dies muss Konsequenzen haben. Wir können nicht so weitermachen, als sei nichts passiert«, sagte der finnische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Erkki Tuomioja nach Beratungen mit seinem türkischen Amtskollegen Abdullah Gül und dem zyprischen Außenminister George Lillikas.
Ein einfaches »Weiter so!« der Verhandlungen könne und werde es nicht geben, sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beim CDU-Bundesparteitag in Dresden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich unterdessen für eine Fortsetzung der Verhandlungen aus.
»Die Präsidentschaft wird jetzt einen Vorschlag erarbeiten, der sicherstellt, dass es zu keinem Abbruch der Verhandlungen und zu keinem Abbruch des Prozesses der Annäherung kommt«, sagte Steinmeier im finnischen Tampere. Auch die griechische Regierung plädierte gegen ein vollständiges Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit Ankara.
Der türkische Außenminister Gül hatte ein Ultimatum der EU zum Zugang der südzyprischen Schiffe und Flugzeuge verstreichen lassen. Der Ratsvorsitzende Tuomioja sagte, es werde in der Zypern-Frage keine Lösung vor Ende der finnischen Präsidentschaft am 31. Dezember geben. Steinmeier bedauerte dies. Nach Finnland übernimmt Deutschland den EU-Ratsvorsitz. Positiv hob Tuomioja den »konstruktiven und kooperativen Geist« bei den Gesprächen mit der türkischen und der zypriotischen Seite heraus.
»Die türkische Seite hat leider keine Kompromissbereitschaft gezeigt«, sagte der zyprische Präsident Tassos Papadopoulos im zyprischen Rundfunk nach dem Scheitern des Treffens. Das gelte auch im Streit um die Hafenstadt Famagusta, die 1974 angesichts der türkischen Truppenbewegung von ihren Bewohnern teilweise verlassen wurde. »Die Türkei wollte nicht über die Rückgabe von Famagusta reden«, sagte der griechisch-zyprische Präsident.
Tuomioja betonte: »Die Türkei bleibt ein Beitrittskandidat.« Die EU stelle keine neuen Bedingungen für die Verhandlungen auf. Aber die Türkei müsse auch alle ihre Verpflichtungen erfüllen. Dazu gehöre das Abkommen über die Zollunion mit der EU, zu dem die Öffnung der türkischen Häfen und Flughäfen für Fahrzeuge aus allen 25 EU-Staaten einschließlich Zyperns gehöre. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen kündigte Tuomioja für das nächste EU-Außenministertreffen am 11. Dezember in Brüssel an.
Die EU-Kommission bedauerte das Scheitern der Gespräche. »Die Kommission arbeitet nun mit der Präsidentschaft daran, eine Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hinzubekommen«, sagte Erweiterungskommissar Olli Rehn in einem Vortrag an der Universität Helsiniki.
Die FDP forderte eine Aussetzung der Verhandlungen. »Solange die Türkei einem EU-Mitglied, nämlich Zypern, keinen Zugang zu ihren See- und Flughäfen gewähren will, solange kann nicht ernsthaft über eine Mitgliedschaft in der EU verhandelt werden«, sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel gestern nach einer Präsidiumssitzung.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warnte davor, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei an der Zypernfrage scheitern zu lassen. Ein Aussetzen der Gespräche wäre »ein verheerendes Signal«, sagte Roth gestern nach einer Vorstandssitzung ihrer Partei in Berlin. Für eine Fortsetzung ihres Demokratisierungsprozesses brauche die Türkei die europäische Perspektive.

Artikel vom 28.11.2006