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Rudolf Remy war der erste in der Reihe: Er erfüllte damit die Bitte seines Neffen aus München.
Auf Altkanzler Gerhard Schröder wartete bei Thalia auch Schwester Gunhild Kamp-Schröder.

Erinnerungen an das
Zimmer zur Untermiete

Altkanzler signierte sogar ein frisch gestohlenes Buch


Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Dumm gelaufen, aber doch noch gut gegangen: Timo Niegel wollte seiner Großmutter zu deren heutigem 72. Geburtstag Gerhard Schröders Buch »Entscheidungen« schenken - mit Signatur des Altkanzlers.
Dumm nur, dass der 17-Jährige das Buch zu Hause vergessen hatte. Gut, dass Gerhard Schröder trotzdem einen persönlichen Glückwunsch schrieb - in Timos Collegeheft.
Gerhard Schröder signierte am Freitag 50 Minuten lang seine »Entscheidungen« (oder Fotos oder Autogrammkarten) in der Thalia-Buchhandlung - erwartet von rund 250 Menschen. Die Warteschlange zog sich aus der Buchhandlung hinaus bis auf den Oberntorwall. Rudolf Remy war der erste in der Reihe: »Ich habe höchstens 15 Minuten gewartet.« Seine Neffe aus München habe angerufen und ihn gebeten, die »Entscheidungen« zu kaufen und ein Schröder-Autogramm zu holen. Rudolf Remy: »Er will das Buch verschenken.«
Gerhard Schröder schrieb überall geduldig die gewünschte Widmung ins Buch: »Lydia mit y oder mit i? Günter mit h oder ohne?« Als Fußball-Experte versicherte er, Thomas von Heesen sei ein »wirklich guter Trainer«. An Bielefeld denke er gern zurück, sagte Schröder, »denn in der August-Bebel-Straße hatte ich ein Zimmer zur Untermiete. Die 'Bequemlichkeit' lag auf halber Treppe«. Er könne sich vorstellen, jederzeit »nach Bielefeld zu kommen«, er könne sich aber nicht vorstellen, zurückzukehren in die Politik.
Gerhard Gramades, der Schröder »schon als Jungen« kannte, ist aus Lippe angereist, Andreas Leber und Sohn Otto aus Lemgo. Otto Leber schenkte Schröder den Abzug eines Fotos, das er beim letzten Wahlkampfauftritt in Bielefeld gemacht hatte und er erzählt: »Vor Jahren, beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt, haben wir ihm die Hand gedrückt.«
Dumm gelaufen ist die Schröder-Visite auch für einen 47-Jährigen: Er klaute im Getümmel ein »Entscheidungen«-Buch und schaffte es sogar noch, es signieren zu lassen, bevor er von Beamten der Stadtwache erwischt wurde.
Gut gelaufen ist der Schröder-Besuch dagegen für Thalia-Geschäftsleiterin Melanie Küster und Vertreterin Sonja Muschalle: 182 »Entscheidungen« wurden verkauft, 100 vorbestellte signierte der Altkanzler bei Kaffee und Keksen im Büro. Beide Damen waren begeistert: »Sehr nett, überhaupt nicht arrogant!«

Artikel vom 25.11.2006