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Bester Service direkt vom Land

Landfrau als Partyköchin oder Touristenführerin - Beispiel Lohöfener

Von Bernhard Hertlein
Werther/Rietberg (WB). Die Zeit, da Landfrauen belächelt wurden, ist vorbei. Ihre Einsatz- und Management-Qualitäten setzen sich auch außerhalb des Bauernhofs durch. Der vor zehn Jahren gegründete Landfrauen-Service hat sich zum Gütesiegel entwickelt.

In jeder Verwandtschaft gab es früher eine Cousine oder Tante, die bei Familienfeiern wie Kommunion, Konfirmation oder Hochzeit in der Küche die Regie übernahm. Heute gibt es stattdessen die »Mietköchin« vom Landfrauen-Service. Auch Heike Lohöfeners Weg in die Selbstständigkeit begann auf diese Weise. Als ihr bisheriger Arbeitgeber, ein Altenheim in Bethel, geschlossen wurde, übernahm sie aus der Großküche den größten Teil der Einrichtung. Das war der Anfang ihres »Partyservice direkt vom Land«. Heute ist er eine der wesentlichen Einnahmequellen des familieneigenen Bauernhofs.
Lohöfeners Speisekarte enthält 88 Angebote - aber keine festen Preise. Das hat seinen Grund. »Meine Preise unterscheiden sich je nach Saison«, erklärt die Chefin. Auf Wunsch gibt es sogar Bio-Kost. Wer andererseits unbedingt im Dezember Erdbeeren essen möchte, muss dafür auch mehr bezahlen.
So ist der Kontakt mit Landfrauen immer auch ein Stück praktische Bildung und Lebenshilfe. Das gilt in besonderem Maße für »Kochen ist cool«, einem nachmittäglichen Kursangebot, das vom Landfrauen-Service in Schulen, Kindergärten und Familienzentren durchgeführt wird. Eingeschlossen sind neben Kochübungen auch Informationen über die Produktion der Lebensmittel, über gesunde Ernährung, Dekorationsvorschläge und Tischmanieren.
Übernehmen die Landfrauen schon bei diesem Angebot auch Aufgaben eines Sozialarbeiters, so gilt dies noch mehr hinsichtlich der Integrationshilfen. Dafür greift der Landfrauen-Service Gütersloh-Bielefeld nach Angaben seiner Geschäftsführerin Ingrid Wedeking (Rietberg-Mastholte) gern auf ausgebildete Erzieherinnen zurück. Mit zu diesem Angebot gehören auch Kinderbetreuung in der Schule oder auf dem Bauernhof, Hilfen im Falle der Erkrankung eines Elternteils, aber auch Spielnachmittage und Geburtstagsfeiern auf dem Bauernhof. Der Kreis Gütersloh-Bielefeld, der zu den Gründern des Landfrauen-Service in Nordrhein-Westfalen zählt, ist Wedeking zufolge ein »Verband von 140 selbstständigen Dienstleisterinnen«. Insgesamt gibt es in NRW acht Landfrauen-Service-Büros, darunter vier in OWL.
Zu den besonders erfolgreichen Programmteilen gehören auch die Gästeführungen unter dem Motto »Ich schenk mir einen schönen Tag«. Dazu zählt das Aktivprogramm für fröhliche Senioren ebenso wie ein Walking-Tag im Schatten des Egge-Windparks, eine lukullische Landpartie, eine Zechertour oder ein Schnupper-Golfkurs. »Frauengeschichtsführungen« informieren beispielsweise über den Wiedenbrücker Hexenwahn, über Ida von Herzfeld, die erste Missionarin im Sachsenland, und unter dem Titel »Als Gott noch eine Göttin war« über Spuren des Matriarchats in der Region.
Dabei sind die Landfrauen keineswegs männerfeindlich. Im Gegenteil: Ein Mann, Küchenmeister von Beruf, erwies sich sogar als so gut, dass er Mitglied im Landfrauen-Service werden durfte. Nachfolge-Kandidaten seien allerdings gewarnt. Wedeking schmunzelnd: »Ein Mann, der sich bei uns durchsetzen möchte, muss mindestens doppelt so viel können wie eine Frau.«

Artikel vom 25.11.2006