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Wenn Legolas mit
Solea im Sand spielt

Vornamen: Eltern entwickeln immer mehr Phantasie

Von Dietmar Kemper
Wiesbaden (WB). Die Zahl der Vornamen in Deutschland wächst rasant. »Vor 100 Jahren waren es 500, heute sind es einige Zehntausend«, sagte der Leiter der Sprach- und Vornamenberatung der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden, Gerhard Müller, dieser Zeitung.

Eltern entwickelten immer mehr Phantasie und ließen sich durch Massenmedien wie das Internet inspirieren. Müller hat beobachtet, dass sich einige Mütter und Väter bei der Wahl des Vornamens von einer »Klangidee« leiten lassen. Als Beispiele nannte der Experte »Panéa« und »Paiquin«. Im Gegensatz zu den USA, wo keine Vorschriften für die Namensgebung existieren und ein Programmierer seinen zweiten Sohn »David 2.0« nennen durfte, müssen in Deutschland die Standesämter zustimmen.
Paragraph 262 der Dienstanweisungen für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden legt fest: »Bezeichnungen, die ihrem Wesen nach keine Vornamen sind, dürfen nicht gewählt werden.« Folglich sind Familien- und Ortsnamen (London, Amsterdam) nicht zulässig. Zudem muss der Vorname eindeutige Rückschlüsse auf das Geschlecht des Kindes ermöglichen. Die Mitarbeiter der Gesellschaft für deutsche Sprache helfen Eltern und Standesbeamten in Zweifelsfällen, indem sie in fremdsprachigen Vornamenbüchern stöbern und das Vorkommen etwa von »Apsara« (indisch), »Adrina« (bulgarisch), »Blerti« (albanisch) oder »Shakir« (arabisch) nachweisen.
In den vergangenen fünf Jahren haben Müller und Kollegen 14 000 Vornamenvorschläge bearbeitet. Die Bestätigung, ob ein Name nachweisbar und damit unbedenklich ist, kostet 15 Euro. Für Müller beweist die hohe Zahl der Vorschläge den ausgeprägten Wunsch der Eltern nach Originalität. »Im Mittelalter hieß jede vierte Frau Katharina und jeder vierte Mann Hans«, blickt der Sprachforscher zurück.
Auch heute gebe es Lieblingsvornamen wie Alexander, Anna, Sophie und Lukas, aber: »Weil die Zahl der Vornamen wächst, haben die Spitzenreiter eine immer geringere Reichweite.« Heute höre eben nur jeder 100. Junge auf Alexander. Einige Vornamen wie Adolf sind so gut wie verschwunden, der NS-Diktator Hitler hat ihn diskreditiert. Dagegen erleben vermeintlich angestaubte Vornamen wie Charlotte und Paul eine Renaissance. »Heutige Eltern empfinden sie nicht als altbacken, sondern als frisch«, berichtet Müller.
Immigranten sowie Popmusik, Literatur und Film sorgen für einen nie versiegenden Strom an Anregungen. Zunehmend nennen Eltern ihre Sprösslinge nach Figuren aus Tolkiens »Herr der Ringe« wie Arwen oder Legolas. Weil Mütter und Väter ihren Nachwuchs als Sonnenschein empfinden, sollen sie »Solea« (Mädchenname von Sol für Sonne abgeleitet), »Summer« oder »Sunny« heißen. Bei »Frühling« jedoch kennen Standesbeamte keine Gnade und lehnen den Vorschlag als Wort der Allgemeinsprache ab. Ähnlich ist es bei Filou, Gift oder Luzifer. Die Vornamenberatung in Wiesbaden ist unter der Telefonnummer 0900/ 1 88 81 28 zu erreichen.

Artikel vom 25.11.2006