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Kennst du Böckstiegel?
Dem Künstler auf der Spur: Eine Bronze-Statue stellt ihren Onkel vor
»Kennst Du Böckstiegel?« Peter August Böckstiegel ist ein bekannter Maler, der von 1889 bis 1951 in Werther (Kreis Gütersloh) gelebt hat. Gerade ist ein Kinderbuch mit diesem Titel erschienen. Darin steigt der Bauernjunge Bernhard - eine von Böckstiegels Statuen - von seinem Sockel und erzählt aus dem Leben des großen Künstlers aus Ostwestfalen. BENJAMIN hat die Gelegenheit genutzt und Bernhard ein paar Fragen gestellt.
Böckstiegel war dein Onkel. Hat er dir mal erzählt, wie es war, als er selber klein war? Ja. Er erinnerte sich gern, auch wenn er in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen ist. Seine Eltern waren einfache Bauern. Das Haus war klein, er schlief mit seinen fünf Geschwistern in einem (!) Bett. Im Winter trug er einen Kartoffelsack als Jacke und Holzschuhe, die mit Stroh ausgepolstert waren. Trotzdem gab es viel Spaß. Es gibt Bilder meines Onkels, da hat er seine Familie gemalt, wie sie abends beisammensitzt und sich Geschichten erzählt. Dass die Personen so dunkle Schatten im Gesicht haben, muss dich nicht wundern. Das liegt am schummrigen Licht der Petroleumlampe. Elektrisches Licht gab es ja noch nicht.

Was hat Böckstiegel am liebsten gemalt?Vor allem die Landschaften und Menschen, die er so liebte. Dass musst du dir mal vorstellen: Alle anderen arbeiteten schwer auf dem Acker, und Böckstiegel schob in einer Schubkarre seine Staffelei und Farben in die Felder und malte. Und dann auch noch Bilder, auf denen ein Bart schon mal grün oder ein Baum rot sein konnte. Die Leute haben sich gewundert, aber ihn trotzdem gemocht.

Dann war es wohl wirklich allerhand, dass der Bauernsohn erst zur Kunstgewerbeschule in Bielefeld und später sogar zum Studium nach Dresden gehen durfteÉ Das kann man wohl sagen. Das war - ganz ohne Auto - nicht nur sehr weit weg, sondern auch eine ganz andere Welt. Vielleicht so, als wenn heute ein Kind aus Bielefeld nach New York umzieht. Mein Onkel aber fühlte sich hier sehr wohl. Die Stadt gab ihm als Künstler viele Ideen. Und hier lernte er auch seine Frau Hanna kennen, zwei Kinder wurden geboren. Böckstiegel malte und malte. Das Glück, das er spürte, kannst du in seinen Bildern aus dieser Zeit sehen. Die Farben leuchten richtig!

Hat er seine westfälische Heimat gar nicht vermisst? Oh doch. Jedes Jahr verbrachte er den Sommer in Werther. Das einfache, ursprüngliche Leben liebte er von ganzem Herzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte mein Onkel sogar ganz zurück. Die Bombardierung Dresdens 1945 zerstörte dort sein Atelier und mit ihm mehr als 1000 Werke. Das hat ihn sehr traurig gemacht. 1951 ist mein Onkel gestorben. Er wurde auf dem Wertheraner Friedhof beerdigt. Das ist gar nicht weit weg von der Stelle, an der ich auf meinem Sockel stehe. Und dahin muss ich jetzt zurückÉ tschüss! (bec)

Artikel vom 02.12.2006