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Gelöst und wie erlöst: Deisler
greift wieder an

Bayern-Joker sticht gleich doppelt

Hamburg (WB/klü). Die Ansage des Trainers war kurz, aber deutlich: »Geh raus. Spiel rechts. Spiel gut. Schieß ein Tor.« Mit diesem Auftrag schickte Felix Magath vor dem Wiederanpfiff Sebastian Deisler auf den Rasen.

»Hoffentlich ist der Trainer jetzt nicht enttäuscht. Denn ein Tor habe ich ja leider nicht gemacht«, grinste der »Joker« des FC Bayern München später. Aber gestochen hatte er trotzdem, gleich zwei Mal. Entscheidend. Denn beide Treffer, die nach dem 0:1 den deutschen Rekordmeister in der Hamburger AOL-Arena noch zum verdienten 2:1-Sieger machten, die bereitete Deisler erstklassig vor.
Immer hinten, so lief das zuletzt: 1:2 in Leverkusen. Endstand 3:2. 0:1 gegen Stuttgart. Endstand 2:1. »Unsere Mannschaft braucht offensichtlich die Gegentreffer als Kick. Erst dann wird sie richtig wach«, stellte Manager Uli Hoeneß fest. Jetzt sorgte der aufgeweckte Deisler in Hamburg für die Wende und kassierte ein Extra-Lob von Magath: »Kompliment, er hat seine Sache ausgezeichnet gespielt.«
Der so gefeierte Bayer blieb indes bescheiden: »Ich freue mich, dass ich der Mannschaft helfen durfte.« Und wie! Vor dem 1:1 tanzte er gleich drei Hamburger aus. Seine Weltklassevorlage verwertete Roy Makaay. Deisler erinnerte sich so an an diese Szene: »Eigentlich wollte ich selbst schießen, aber mit links habe ich nicht so ein dickes Pfund drauf. Da ist mir nichts Besseres eingefallen, als den Ball in die Mitte zu schieben. Und da stand der Roy.«
Viel Spaß am Spiel und ein kleines Späßchen hinterher. Natürlich wusste Deisler in diesem Moment ganz genau, was er tat. Auch seine Vorarbeit in der 78. Minute, die Claudio Pizarro zum 2:1 nutzte, war absolute Spitze. Ein Blick, ein Pass - und der Favorit durfte den »Dreier« mitnehmen. »Deisler hat das Spiel gedreht«, stellte Magath fest.
Und es war hoffentlich auch ein Wendepunkt in der Karriere dieses Ausnahme-Fußballers. Denn wie brillant seine Mittel und Möglichkeiten sind, hat er in dieser Partie erneut bewiesen. Mit 20 wurde Deisler schon zum Star hochgejazzt, war dann in regelmäßigen Abständen immer wieder längere Zeit schwer verletzt, verpasste zwei WM-Endrunden und eine EM. Fünf Knieoperationen stehen in seiner Krankenakte, dazu 2003 und 2004 zwei Sonderbehandlungen wegen Depressionen in der einer Münchener Spezialklinik.
Jetzt ist Deisler 26 Jahr alt. Immer noch jung genug, um endlich die Erwartungen zu erfüllen, die völlig zu Recht an ihn gestellt werden. Denn dieser Kicker, der kann es. »Ich hoffe, dass wir noch viel Freude am Sebastian haben werden«, sagte Magath. Sein »Sorgenkind« hatte sich am 4. März 2006 erneut am Knie verletzt, nach acht Monaten Zwangspause meldete er sich jetzt zurück.
»Es ist schön, wieder bei der Mannschaft zu sein«, strahlte Deisler, der aber vorerst nur kleine Schritte machen will. Der Trainer hilft ihm dabei: »Wir bauen ihn langsam auf.« 20 Schnupper-Sekunden gegen Stuttgart, jetzt 45 Minuten in Hamburg. Und wann ist er wieder von Anfang an dabei? »Das muss Magath entscheiden, da mache ich mir keinen Druck.«
Und Deisler, der sich nach dem Sieg gegen den HSV locker, gelöst und wie erlöst präsentierte, er denkt auch noch nicht an die Nationalelf: »Das hat Zeit, das kommt irgendwann von selbst.« Denn da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder steht Deisler im Frühjahr 2007 im DFB-Team - oder er ist schon wieder verletzt.

Artikel vom 27.11.2006