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HSV-Trainer Doll
darf weiter verlieren

Männerbund beim Kellerkind: Rücktritte kein Thema

Von Klaus Lükewille
Hamburg (WB). Im Stadion wird auf einem Transparent für das gemeinsame Sponsoren-Konzept von Stadt und Verein geworben: »Der Hamburger Weg«. Aber wohin führt er? Viel tiefer geht's ja nicht mehr. Nur noch von 17 auf 18.

Nach der 1:2-Niederlage gegen den FC Bayern München brüllten die restlos bedienten HSV-Fans enttäuscht in Richtung Rasen: »Wir haben die Schnauze voll.« Und die Anhänger des Titelverteidigers durften schon spotten: »So spielt ein Absteiger.«
Nach einer ordentlichen ersten Hälfte, in der das Kellerkind durch Rafael van der Vaarts Elfmeter mit 1:0 führte, spielte die Mannschaft dann im zweiten Durchgang tatsächlich wie ein designerter Zweitligist. Total überfordert. Hilflos, kraftlos, mutlos. Angsthasen-Fußball, der das lang anhaltende Tief im hohen Norden noch düsterer aussehen ließ. Nur ein Sieg in den letzten 22 Pflicht-Spielen. Welcher Trainer wäre da bei einem anderen Bundesliga-Verein noch im Amt?
In Hamburg darf Thomas Doll weiter regieren und weiter verlieren. »Ich bin sehr enttäuscht. Denn wir haben nach einem guten Start die Bayern unbegreiflicherweise wieder ins Spiel geholt«, ärgerte sich der Fußball-Lehrer, der dann aber sofort wieder nach vorn blickte: »Jetzt helfen nur noch Ergebnisse. Wir müssen das nächste Spiel unbedingt gewinnen.«
So reden sie in Hamburg nun schon seit August. Immer wieder die gleichen Sätze. Auch Sportchef Dietmar Beiersdorfer spielte den Leierkasten-Mann: »Wir müssen Ruhe bewahren und weiter arbeiten.« Wie neu, noch nie gehört.
Der Vorstandschef stimmte ebenfalls in das alte Lied mit ein. Bernd Hoffmanns Erzählungen hörten sich am Tag danach in der DSF-Sendung »Doppelpass« so an: »Wir stehen zu Trainer Doll. Nicht nur in den nächsten drei Wochen. Sondern, wenn es geht, auch noch in den nächsten drei Jahren.«
Rücktritte? Bei den HSV-Verantwortlichen kein Thema. Die brisante Lage: Hoffmann und Beiersdorfer haben sich mit ihren ständigen Treueschwüren ganz eng an den Trainer gekettet. Der Hamburger Männerbund wird immer mehr zur Schicksalsgemeinschaft. Denn wenn sie ihn tatsächlich jetzt doch noch kippen sollten, müssten sie eigentlich gleich mitgehen.
Für Doll, den Klassen-Kämpfer, kommt ein freiwilliger Abschied ohnehin nicht in Frage: »Ich möchte das Ding hier durchziehen und will die Mannschaft wieder auf Kurs bringen.«
Seine Auswahl präsentierte sich nach der Pause allerdings in einem höchst bedenklichen Zustand. Das war schon ein sportlicher Offenbarungseid. Verschworene Truppen treten ganz anders auf.
Der Hamburger Weg. In welche Richtung wird er gehen? Die nächste Bundesliga-Dienstreise führt am kommenden Samstag erst einmal nach Bochum. Ein Keller-Duell. Die Nummer 16 erwartet die Nummer 17.

Artikel vom 27.11.2006