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Wilhelm Busch

»Jeder kriegt,
was jeder tut, Schlechtigkeit bekommt nicht gut.«

Leitartikel
Volkssport Mäkelei

Fritz Walter,
»Pamir« - alles reizt


Von Rolf Dressler
Nicht erst seit der Hitler-Katastrophe findet bei uns in Deutschland stets besonders wohlwollendes Gehör, wer dem eigenen Volk mahnend, warnend oder gar drohend die Leviten liest. Ellenlang ist die Liste derer, die damit von sich reden mach(t)en: Spitzenpolitiker, Parlamentshinterbänkler, Gewerkschaftsfunktionäre, Umwelt-Kassandras, Verbandslobbyisten, allzuständige Moralapostel und viele andere mehr.
Oftmals trifft und ereifert man sich an den absurdesten Aufreger-Schnittstellen - und befeuert einander, beseelt davon, Deutschland und den Deutschen gewissensmäßig etwas am Zeuge zu flicken.
Das rutscht dann nicht selten ins albern Groteske ab, mag das Thema auch einen noch so ernsten Ursprungskern haben. Aber ein Lachen kann bekanntlich ungemein befreiend wirken.
Die jetzt zu Ende gehende Pres- se-Woche lieferte dazu zwei typische neue Anschauungsstücke.
Zielobjekt 1: der unvergessene Fußball-Sportsmann Fritz Walter.
Zielobjekt 2: die 3-Stunden-Fernsehverfilmung der Tragödie vom Untergang der stolzen Viermastbark »Pamir« vor 50 Jahren.
»War Fritz Walter ein Nazi?« - diese schmissige Schlagzeile der »Süddeutschen Zeitung« vom 20. November kitzelte zumindest beim Leser erst einmal (offenbar gewollte) schlimme Befürchtungen wach: Würde nun etwa auch der im Nachkriegsdeutschland hoch verehrte Spielführer der legendären Weltmeister-Elf von Bern 1954 vom Sockel gestürzt? Sollte hier eines der größten Idole, eine unserer herausragenden Vorbildpersönlichkeiten enttarnt und gebrandmarkt werden?
Nichts davon. Ganz im Gegenteil: Die unlängst erschienene 336-Seiten-Studie »Der 'Betze' unterm Hakenkreuz - der 1. FC Kaiserslautern in der Zeit des Nationalsozialismus« (Verlag Die Werkstatt, Göttingen) bescheinigt Fritz Walter ein rundum untadeliges Verhalten selbst unter den massiven Zwängen und Bedrohungen der NS-Tyrannei.
Was also außer deutsch-kritische Mißstimmungsmache sollte dann wohl die Titelzeile »War Fritz Walter ein Nazi?« bewirken?
Szenenwechsel hin zum hochdramatischen, für abermillionen Landsleute erinnerungsträchtigen Untergang der »Pamir«. Sehr zu Recht erntete die Neuverfilmung, die zunächst komplett auf »arte« und dann am Mittwoch und Freitag dieser Woche in zwei Teilen im »Ersten« zu sehen war, im Blätterwald überwiegend hohes Lob sowohl für die packend wirklichkeitsnahe Gesamtinszenierung als auch für die schauspielerischen Leistungen.
Nur die »Frankfurter Rundschau« erklärte das Filmvorhaben rundweg fürs gescheitert - und machte sich lustig über die deutsche Spießbürgergesellschaft: »Strenger Vater sendet weichen Sohn in die (rauhe 'Pamir'-)Welt, wo er im fürsorglichen Bootsmann ein alternatives Papa-Modell findet.
Ansonsten ist die Seefahrt lustig, und an Bord tragen sie Persil-weiße Uniformen, blinken die Belegnägel in der Sonne ...«
Hauptsache negativ, wenn's gegen die eigenen Reihen geht.

Artikel vom 25.11.2006