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Programm-Diskussion richtig, aber zögerlich

CDU-Grundwerte stehen gleichwertig nebeneinander

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). »In Zeiten der großen Koalition erscheint die CDU-Programmatik verwaschen und unklar«, sagt Reinhard Göhner. Deshalb hält der erfahrene CDU-Bundespolitiker die Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm für wichtig - gerade jetzt.

»Wir brauchen wieder ein eindeutig klares Profil als Volkspartei, die auch eine erkennbare wirtschaftspolitische Kompetenz hat«, ergänzt der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände.
Auch Maria Westerhorstmann, Bezirkschefin der Landfrauen und Parteivorsitzende im Kreis Paderborn, findet in der laufenden Diskussion »ihre CDU« wieder. Es gehe darum, die Identität der Christdemokraten zu festigen und das Werteverständnis stärker in den Blick zu rücken. Die Landtagsabgeordnete sieht dabei vor allem auf »die Familie als Fundament der Gesellschaft, die gleichfalls nach den Prinzipien der Solidarität und der Subsidarität zu fördern und zu fordern sei.
Die CDU wird beim Bundesparteitag am Wochenende in Dresden eine Art Zwischenbilanz ziehen. Der endgültige Beschluss über das neue Programm folgt 2007. Schon Parteitage in Ludwigshafen 1978 und Hamburg 1994 haben die Vorgaben des ersten Vorsitzenden Konrad Adenauer weiter entwickelt. Am 6. März 1946 notierte der Gründervater der Union: »Wir betrachten die hohe Auffassung des Christentums von der Menschenwürde, vom Wert jedes einzelnen Menschen als Grundlage und Richtschnur unserer Arbeit.«
Göhner hat an dieser Richtschnur 1994 mitgearbeitet. Dass jetzt eine Neufassung fällig ist, empfindet er nicht als Kritik an der damaligen Arbeit. 1994 habe unter dem Eindruck der Wiedervereinigung gestanden, demographischer Wandel und Globalisierung spielten keine Rolle.
Die Landfrau wie der Wirtschaftspolitiker begrüßen die Offenheit der aktuellen Diskussion, die eben kein »Streit« sei, sondern Ringen um den Weg. Die Antwort auf die Frage, was ihr an der aktuellen Debatte ganz und gar nicht passt, hält Westerhorstmann für »verfrüht, da ich offen in die Debatte gehe«. Die innerparteiliche Diskussion und programmatische Entwicklung müsse weitergehen. Die Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit stünden dabei gleichwertig nebeneinander. »Auf dieser Basis finde ich meine Vorstellungen von gelebter Demokratie wieder.«
Auch Göhner hält die gesetzten Themen für »richtig und zukunftsweisend«, wenngleich ihm bislang ein schlüssiger Entwurf für eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Sozialpolitik fehlt. Die Programm-Kommission habe sich dazu leider nicht geäußert, dabei sei die Programmdebatte doch der richtige Ort, um wirtschaftspolitische Kompetenz zurückzugewinnen, beklagt er. Vieles tendiere noch zu Kompromissen und bestätige nur frühere Beschlüsse.
Göhner vermisst Mut. Das große Ziel in Merkels erster Regierungserklärung »mehr Freiheit wagen« sei bislang leider kaum umgesetzt. Und er erinnert an eine unerledigte Aufgabe. Schon im Grundsatzprogramm 1994 habe man sich für ein Familiensplitting ausgesprochen. Jetzt sei zumindest das Stichwort aufgenommen worden, sagt Göhner und drängt zur Eile: »Die Weiterentwicklung des bisherigen Ehegattensplittings zu einem Familiensplitting muss in die Politik eingehen - solange noch genug Familien da sind.«

Artikel vom 24.11.2006