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Krankheit kam mit harmlosem Stolpern

SSP-Selbsthilfegruppe besteht seit einem Jahr

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Zu Anfang ist Karin Pieper einfach nur ständig gestolpert. Lästig, aber erst einmal nicht besorgniserregend. Irgendwann wurde das Gehen dann mühselig und unkoordiniert. Warum, war lange unklar. Heute ist die 59-Jährige auf einen Rollator angewiesen. Und das Risiko, dass sie sich irgendwann nur noch mit Hilfe eines Rollstuhls bewegen kann, ist groß. Denn Karin Pieper leidet an Spastischer Spinalparalyse.

SSP oder HSP (das H steht für hereditär, vererbbar) ist das Kürzel für die Krankheit. »Die motorischen Nervenbahnen im Rückenmark degenerieren, es kommt zu einer zunehmenden Spastik in den Beinen«, erklärt Ines Sieber. Auch die 30-Jährige leidet an SSP. Sie ist bereits auf den Rollstuhl angewiesen. Gemeinsam mit Karin Pieper hat sie vor einem Jahr eine Selbsthilfegruppe gegründet. Vier Betroffene haben sich damals getroffen. Als jetzt im »Stillen Frieden« erneut SSP-Patienten zusammenkamen, waren es schon 16.
Sie kamen längst nicht nur aus Bielefeld, sondern auch aus Münster, Unna oder Porta Westfalica. Denn SSP ist eine sehr seltene Krankheit. Was für die Betroffenen den großen Nachteil hat, dass sie nicht sehr erforscht ist und eine Diagnose oft erst nach Jahren erfolgt. Sie erfolgt in aller Regel durch Ausschluss eines Tumors, der MS oder von Stoffwechselerkrankungen.
Bei Ines Sieber brach die Krankheit 1994 aus. 2000 hatte sie die eindeutige Diagnose - und war erleichtert. »Wenn man immer gefragt wird, was man denn eigentlich habe und nur sagen kann, wie man sich fühlt, aber keinen Namen dafür hat, ist das zermürbend.« Sie schätzt, dass die Dunkelziffer der Betroffenen hoch ist - einfach, weil die SSP auch vielen Ärzten nicht bekannt ist: Die nächste Spezialambulanz ist in Bochum. Eine Heilung ist nicht möglich, die Krankheit schreitet unweigerlich voran - zumeist langsam, aber nicht immer. Irgendwann tragen die Beine nicht mehr, in seltenen Fällen sind auch die Arme betroffen, werden die Augen und die Sprache in Mitleidenschaft gezogen.
»Eine Therapie kann derzeit nur die Symptome mildern.« So ist bei Ines Sieber eine Medikamenten-Pumpe implantiert, die die Spastik in ihren Beinen verhindern soll. Und im Wohnzimmer von Karin Pieper steht ein Trainingsgerät, eine Art Fahrrad, mit dem sie strampelt, um die Verkrampfung der Muskeln zu verhindern oder zu lockern. Irgendwann, hoffen die beiden Frauen, wird vielleicht auch dank der Genforschung eine andere Therapie machbar sein.
Derzeit können sie anderen Betroffenen aber anbieten, sich in der Selbsthilfegruppe Rat, konkrete Tipps und Unterstützung zu holen - und gemeinsam Spaß zu haben. Das nächste Treffen der Gruppe um Pieper und Sieber findet am 10. März in Münster statt, das nächste SSP-Bundestreffen ist im Mai in Braunlage. Dorthin werden dann auch die Mediziner kommen, die in Deutschland die SSP erforschen. Wer mehr wissen möchte, kann sich an Karin Pieper, Telefon 89 69 64, oder an Ines Sieber, Telefon 5 22 99 68, wenden.

Artikel vom 24.11.2006