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In jeder Rolle
schlicht perfekt

Philippe Noiret 76-jährig gestorben

Paris (dpa). Philippe Noiret, einer der großen französischen Film- und Theaterschauspieler, ist tot. Er starb gestern im Alter von 76 Jahren nach langer schwerer Krankheit.

Philippe Noiret war ein Verwandlungskünstler: Mit derselben Überzeugung, wie er in »Alexandre, der Lebenskünstler« den Bauern spielt, der das Bett nicht mehr verlassen will, verkörperte er den Showmaster im glänzenden Jacket in Chabrols »Masken«.
Dieses Prinzip des »konsequenten Variierens der Rollen«, das sich der aus Lille stammende Nordfranzose zu seinem Erfolgsmotto gemacht hatte, ließ ihn für Regisseure wie Bertrand Tavernier, Patrice Lecontes und Francesco Rosi zu einem viel geschätzten Schauspieler werden.
»Man hat viele Aspekte und Facetten in sich. Manchmal war ich selber überrascht, was für Typen da in mir stecken. Ich lasse mich gern vor der Kamera gehen«, erklärte der katholische Internatszögling, der nach eigenen Angaben ein »miserabler« Schüler war und schließlich in 125 Filmen, unter anderem an der Seite der französischen Leinwandköniginnen Catherine Deneuve, Romy Schneider und Simone Signoret, glänzte. Zu seinen international bekanntesten gehörten »Cinema Paradiso« und »Das große Fressen«.
Agnes Varda, prominente Vertreterin der »Nouvelle Vague«, hatte ihn 1954 in »La Pointe Courte« als erste vor die Kamera geholt. Doch erst Louis Malles »Zazie in der Metro« machte ihn 1963 bekannt. Zweifach erhielt der 1,90-Meter-Mann die höchste französische Filmauszeichnung, den César, als bester männlicher Hauptdarsteller: »Le vieux fusil« von Roberto Enrico (1976) und »La vie et rien d'autre« von Tavernier. Privat pflegte er das Image eines Lebemannes, hatte großen Humor, liebte Pferde, seine Landhäuser, teure Schuhe und Havannas.
Das Interessante an seiner Wandlungsfähigkeit war, dass sich dahinter immer eine gutmütige Zurückhaltung und sympathische Autorität verbarg. Die französische Tageszeitung »Le Figaro« bescheinigte ihm, »die Schlechten, die Verborgenen, die Mörder zu spielen«, obwohl man wisse, dass er weder sein Gesicht, noch seinen Geschmack, noch sein Haus, noch seine Frau auswechseln würde - nur eben seine Rollen.
Und Noiret schlüpfte von einer Erfolgsrolle in die andere. In dem Historiendrama »Wenn das Fest beginnt...« spielte er 1974 den schmierigen Adligen, in »Der Saustall« im Jahr 1981 den schäbigen Dorfgendarmen. In einem deutschen Film hat Philippe Noiret nie gespielt, obwohl 80 Prozent seiner Autogrammwünsche aus Deutschland kamen: »Wenn ich meine Post anschaue, muss ich in Deutschland bekannter sein als in Frankreich«, sagte er einst.

Artikel vom 24.11.2006