24.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ex-SPD-Generalsekretär Olaf Scholz


 
»Wo Bundespräsident Horst Köhler Recht hat,
hat er Recht.«

Leitartikel
CDU muss Farbe bekennen

Sozial sein
in Zeiten
der Kälte


Von Reinhard Brockmann
Schon vergessen? Der CDU- Bundesparteitag von Sonntag an in Dresden gilt als wichtige Etappe zum neuen Grundsatzprogramm. Es geht mitnichten allein um gerechte Fristen fürs Arbeitslosengeld I (ALG I). Und schon gar nicht geht es um ein Scherbengericht über dessen Verfechter Jürgen Rüttgers.
Zur Diskussion steht das große Ganze, und doch ist die Einzelfrage ein brauchbares Vehikel, um das volle Programm auf die Bühne zu schaffen: Wie sozial ist die Union in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Unterschiede?
Die Schuldenpolitik früherer Regierungen wird uns noch lange in Zinsknechtschaft halten. Auch auf lange Sicht wird es nichts zu verteilen geben. Schlechte Voraussetzungen also, um Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit neu zu denken. Auch deshalb ist der Rüttgers-Vorstoß gegen neue Lebenslügen und für realistische Antworten hilfreich.
»Wir müssen uns die Interpretation des christlichen Menschenbildes immer wieder neu erarbeiten«, sagt Generalsekretär Ronald Pofalla. Was das im richtigen Leben bedeutet, wurde dem Berliner Statthalter der NRW-CDU deutlich, als er den Rüttgers-Vorschlag im heimischen Düsseldorf auf Berliner Linie zurückbiegen wollte. Insbesondere die Stimme von Karl-Josef Laumann dürfte ihm auch in Dresden noch in den Ohren klingen. Bei dem internen Treff vor gut vier Wochen wurde vorgerechnet, wie die Finanzierung läuft.
Auf dem offenen Meinungsmarkt ist die Sozialrechnung besonders von denen, die in der Programmdiskussion allenfalls Gaststatus haben, gründlich durcheinander gebracht worden.
Wer lange eingezahlt hat, soll länger Arbeitslosengeld bekommen als der, der erst wenige Beiträge geleistet hat: So lautet der schlichte Satz, den drei Viertel aller Deutschen unterschreiben. Da hilft es nichts, dass der Bundespräsident das Prinzip der Risiko-Versicherung feiert und SPD-Chef Kurt Beck Sorge hat, links überholt zu werden.
Mit der Aussage, eine Rückkehr zu Staffelung dürfe es nicht geben, liegt sogar Horst Köhler daneben. Auch heute wird ALG I unterschiedlich lange gezahlt. Je nach Vorbeschäftigung nennt das Gesetz sechs Zahlzeiten: 6, 8, 10, 12, 15 und 18 Monate. Zugegeben: Das alte Recht sah 14 Stufen vor und reichte bis zum 32. Monat.
Nach neuem Recht sind auch bis zu 24 Monate ALG I plus sechs Monatszahlungen von 300 Euro für den Übergang in Selbständigkeit möglich. Die Arbeitsagenturen setzen inzwischen alles daran, ihre Kunden mit allerlei Maßnahmen länger als 12 Monate zu behalten. Die Jobcenter laufen ihnen Kunden und Renommee ab.
Rüttgers/Laumann haben übrigens auch eine Verdreifachung des Schonvermögens für Langzeitarbeitslose und eine Herausnahme der Kinder aus den Hartz-Gesetzen vorgeschlagen.
Schön, dass die externe Debatte an dieser Stelle der parteiinternen Diskussion noch nicht übers Maul gefahren ist.

Artikel vom 24.11.2006