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Ex-Chirurg muss in
die Entziehungsanstalt

Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung wurde reduziert

Von Uwe Koch
Bielefeld (uko). Der frühere Chirurg der Kliniken Gilead, Marek N. (52), hat vor dem Landgericht nur einen Teilerfolg erzielt: Die Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung wurde am Mittwoch zwar auf elfeinhalb Monate reduziert. Eine Bewährungschance erhielt der Arzt jedoch nicht. Zudem ordnete die 7. Strafkammer die Unterbringung des gebürtigen Polen in einer Entziehungsanstalt an.

Die Bielefelder Kurt und Martha W. bereiteten sich vor zweieinhalb Jahren auf ihre goldene Hochzeit vor, als am Morgen des 17. April 2004 ihr Familienglück jäh zerstört wurde: Sturzbetrunken (zwei Promille) und mit überhöhter Geschwindigkeit (95 km/h) raste Marek N. mit seinem Alfa Romeo 166 auf der Artur-Ladebeck-Straße über eine rote Ampel, kollidierte mit dem vom Eggeweg kommenden VW Golf der beiden Rentner. Martha W. starb Tage später. Kurt W. wurde schwerstverletzt.
Die Konsequenz des Amtsgerichts am 6. Juni 2005: 19 Monate Haft, ohne Bewährung. Zudem erteilte die Amtsrichterin eine zweijährige Sperre zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Alle Hoffnungen des Arztes auf eine Bewährungsstrafe blieben auch zunächst vor dem Landgericht in der Berufungsverhandlung am 5. Oktober 2005 vergebens: Die 5. Strafkammer hielt das erstinstanzliche Urteil.
Hoffnung keimte für den von seinem Arbeitgeber daraufhin geschassten Mediziner mit der Revision zum Oberlandesgericht (OLG) Hamm auf: Das OLG bekräftigte den Schuldspruch, jedoch wurde der Fall im Strafausspruch aufgehoben. Denn: Das Landgericht habe die Alkoholabhängigkeit und den Medikamentenmissbrauch des Angeklagten nicht genügend gewürdigt. Zudem habe es die Berufungsinstanz unterlassen, eine daraus resultierende verminderte Schuldfähigkeit des Todesfahrers zu prüfen und im Urteil zu berücksichtigen.
Mit dieser Maßgabe verhandelte nun die 7. Strafkammer erneut die Berufung des Marek N., die im Verlauf des Prozesses jedoch zu einem juristischen Bumerang geriet: Kammervorsitzender Andreas Wiemann zitierte aus einer zwischenzeitlichen weiteren Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Bamberg: Marek N. war dort eine Geldstrafe wegen des Diebstahls einer Flasche Wein und wegen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad aufgebrummt worden. Dagegen hatte der Mann seit der fürchterlichen Kollision mit dem Auto des Rentnerehepaars immer wieder betont, sich freiwillig diversen Therapien zur Bekämpfung seiner Alkoholsucht unterzogen zu haben.
Das Gericht hielt sich in seinem Urteil an die Vorgabe von Staatsanwalt Eberhard Leschhorn: elf Monate und zwei Wochen Haftstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können; weitere neun Monate Sperre zur Erteilung einer Fahrerlaubnis; die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Wiemann hielt dem Mediziner, dessen Aprobation als Arzt nach wie vor ruht, »die Wucht der Tat« entgegen. Marek N. habe nicht wirklich an seinem Alkoholismus gearbeitet. Stattdessen sei zu befürchten, daß N. demnächst betrunken »wie Harald Juhnke vor seiner Mannschaft steht und den Pausenclown macht«. - Verteidiger Dr. Detlev Binder kündigte erneut Revision gegen dieses Urteil an.

Artikel vom 23.11.2006