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Opfer kann sich nur vage erinnern


Polizistenprozess: Verteidiger lehnen das Gericht als »befangen« ab


Bielefeld (uko). Im Polizistenprozess vor dem Bielefelder Landgericht sind die juristischen Fronten völlig verhärtet: Die 5. Strafkammer hat den Beamten S. und K., die einen Passanten verprügelt haben sollen, nun auch die Verurteilung wegen »falscher Verdächtigung« in Aussicht gestellt. Die Verteidiger lehnten daraufhin das Gericht als »befangen« ab. Oberstaatsanwalt Rainer Kahnert prophezeite darauf den Rechtsanwälten Mirko Roßkamp und Dr. Holger Rostek einen »Schuß, der nach hinten losgeht«.
Mike S. (34) und Ralf K. (39) sollen in der Nacht zum 20. Mai 2005 den auch wegen diverser Drogendelikte vorbestraften Bielefelder Michael D. (34) auf der Stresemannstraße verprügelt haben. Weil nicht zuletzt auch Polizeibeamte als zufällige Beobachter die nächtliche Szene im Sinne des Opfers bekundeten, waren S. und K. am 7. Februar von einem Schöffengericht des Amtsgerichts zu jeweils 15 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Die Polizeibeamten hatten die Tat stets bestritten. Kurz vor der Berufungsverhandlung am Landgericht jedoch erklärten sie sich zu einer Entschuldigung und einer Zahlung von Schmerzensgeld an das Opfer bereit. S. und K. räumten die Körperverletzung ein, indes seien sie vom Opfer provoziert worden. Michael D. war erst gestern zur Hauptverhandlung erschienen. Der Zeuge konnte sich in Details nur vage an jenen Vorfall erinnern, bekräftigte aber seine passive Rolle.
In nichtöffentlicher Sitzung musste Michael D. zudem seinen derzeitigen Krankheitszustand berichten: Der Mann leidet unter einer Leberzirrhose, die er aufgrund seines Rauschgiftkonsums und seines Alkoholmissbrauchs erlitt. Derzeit warte er auf eine Spenderleber zur Transplantation.
Rechtsanwalt Rostek stellte daher den Beweisantrag, den Mann ärztlich auf seine Zeugentüchtigkeit untersuchen zu lassen. D. leide unter Wahrnehmungsstörungen, verkenne tatsächliche Situationen. Das Gericht hingegen erteilte den rechtlichen Hinweis, im Fall eines Urteils komme auch das Delikt der falschen Verdächtigung in Betracht, da S. und K. dem Opfer in jener Nacht Rauschgifthandel unterstellt hätten. - Der Prozess wird nun am 1. Dezember fortgesetzt.

Artikel vom 23.11.2006