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VW zieht Golf aus Brüssel ab

Produktion nach Deutschland verlagert -Ê4000 Arbeitsplätze gefährdet

Brüssel (dpa). VW will sein schlecht ausgelastetes Stammwerk Wolfsburg mit der Golf-Produktion aus der Brüsseler Fabrik stärken. Dort könnten durch den Entzug des Golfs nach Befürchtungen der Gewerkschaft bis zu 4000 der 5400 Arbeitsplätze wegfallen. Mit einer Konzentration der Produktion auf Wolfsburg und Mosel bei Zwickau könnten Kosten in dreistelliger Millionenhöhe eingespart werden.
In seinem Werk in Brüssel stellt Volkswagen jedes Jahr etwas mehr als 200 000 Autos her. An erster Stelle steht der Golf. Die Produktion des Polo erreicht höchstens 11 000 Fahrzeuge. Foto: dpa

VW-Produktionsvorstand Reinhard Jung wollte sich gestern vor Abschluss der Verhandlungen mit den Arbeitnehmern nicht auf eine Zahl zum Stellenabbau festlegen. VW hatte den sechs westdeutschen Werken nach der Einigung auf längere Arbeitszeiten verbindliche Zusagen für die Zukunft gemacht. In Deutschland will VW 20 000 Stellen abbauen.
Die Belegschaft in Brüssel reagierte entsetzt auf die Pläne. Schon seit Freitagabend hatten die Gewerkschaften aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Seit den 80er Jahren produziert VW in Brüssel den Golf. Nach Angaben der Gewerkschaften werden jedes Jahr etwas mehr als 200 000 Autos hergestellt, davon sind aber höchstens 11 000 Fahrzeuge vom Typ Polo. Experten der Arbeitnehmerseite gehen davon aus, dass bei Zulieferern weitere 8000 bis 9000 Stellen in Gefahr sind.
Jung sagte, die Maßnahme in Brüssel ändere »nichts an unserem Restrukturierungskurs in Deutschland«. Nach den deutschen müssten nun die europäischen Standorte überprüft werden. Wie viele der insgesamt etwa 5400 Stellen in Brüssel gestrichen werden müssten, bleibe abzuwarten. »Wir stehen erst am Anfang der Verhandlungen. Es sind bis zu zwei Drittel der Mitarbeiter davon betroffen«, sagte Jung. VW habe die belgische Regierung parallel zu den Gesprächen mit Management und Belegschaft informiert. »Diese hat uns ihre Unterstützung zugesagt«, sagte Jung. »Wir sind uns unserer sozialen Verpflichtungen bewusst.« Der liberale Regierungschef Guy Verhofstadt zeigte sich schockiert. Einschnitte dieser Größenordnung habe es bei VW woanders nicht gegeben.
Der Europäische Metall-Gewerkschaftsbund (EMB) befürchtet, dass mit dem Abzug der Golf-Produktion der gesamte Standort vor dem Aus ist. EMB-Generalsekretär Peter Scherrer zeigte sich auch davon überzeugt, dass es »nicht nur bei Brüssel bleiben wird«.
Nachdem die VW-Werke in Deutschland oft als zu teuer kritisiert worden waren, hatte sich das Management mit der Belegschaft auf längere Arbeitszeiten bei gleicher Bezahlung geeinigt.
Die Ankündigung von VW rief auch die EU-Kommission auf den Plan. Sie will bei der Bewältigung der Entlassungen helfen. Regionalkommissarin Danuta Hübner bereite eine Sondersitzung mit Vertretern der zuständigen Regionalregierung vor. »Wir sind uns der schwierigen Effekte bewusst, die großangelegte Entlassungen bei Volkswagen für die Region Brüssel haben können«, hieß es.
Audi dementierte einen Bericht des »Manager Magazins«, wonach Brüssel Konzernkreisen zufolge zum Ausgleich die Produktion eines A3-Cabrios bekommen könnte, das 2008 auf den Markt kommen solle. »An diesen Spekulationen ist nichts dran«, hieß es. Man habe zudem noch nicht einmal bestätigt, dass es ein A3-Cabrio überhaupt geben werde.

Artikel vom 22.11.2006