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Der Perfektionist aus Lemgo
will um die WM kämpfen

Optimist Florian Kehrmann plant, in sechs Wochen wieder anzugreifen

Von Oliver Kreth
Lemgo(WB). Die Lobeshymnen auf ihn sind einhellig. Und deshalb war der Schock am vergangenen Samstag auch so groß. Denn Florian Kehrmann ist nicht nur sportlich eine feste Größe im Team von Handball-Legende Heiner Brand.
Europameister 2004. Fotos (2): Stefan Hörttrich

Nationalteam-Kollege Christian Zeitz vom THW Kiel: »Eine WM-Absage von Flo wäre ein riesiger Verlust für uns - auch menschlich. Denn er ist unser Wortführer.« Der Bundestrainer muss jetzt abwarten, »wie schlimm die Verletzung ist, und ob er uns bei der Weltmeisterschaft wieder zur Verfügung stehen kann«.
Optimistisch schaut auch der Verletzte in die Handball-Zukunft. Kehrmann nach dem Einsetzen einer Platte in die gebrochene linke Mittelhand: »Ich habe den ersten Schock überwunden. Und ich bin sicher, dass ich in sechs Wochen wieder trainieren kann. Dann könnte ich in der unmittelbaren Vorbereitung wieder dabei sein. Mein neues WM-Ziel heißt jetzt Teilnahme.«
Das wäre nicht nur für ihn wichtig. Denn der aktuelle Handballer des Jahres ist der nationale Imageträger in der deutschesten aller Ballsportarten. Was er auch abseits des Platzes für eine Bedeutung hat, lässt sich an der Eloge seines Vereins-Managers ablesen. Fynn Holpert: »Florians Art und Weise im Umgang mit seinen Spieler-Kollegen, Vereinsführung und Fans macht ihn zu einem wertvollen Bestandteil unseres Klubs. Mit ihm haben wir außerdem einen wichtigen Imageträger in unseren Reihen, der aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Identifikationspotenzials - vor allem in der jungen Zielgruppe - für die Entwicklung unserer Sportart in der Region und in Deutschland eine wichtige Funktion einnimmt.«
Diese wichtige Rolle übernahm er für die breite Öffentlichkeit erstmals sichtbar vor zwei Jahren. Denn ab da dachten Fans und berufsmäßige Beobachter um. Blickten sie bis zu diesem Zeitpunkt meist nach links, rückte während der EM die andere Spielfeld-Seite ins Rampenlicht.
Stefan Kretzschmar hatte bis dahin als Zuschauer- und Medien-Magnet die Massen elektrisiert - auch dank seiner Liaison mit Goldfisch Franziska van Almsick. Nach einem Länderspiel klebten an dem Magdeburger, den Brand erneut in seinen 28er-Kader berief, Fans und Vertreter der Journaille. Das gab dem Rest der Brand-Rasselbande Zeit und Ruhe, sich zu entwickeln.
Von 2004 an widmete man sich dann einem der besten Rechtsaußen der Welt, der sich im Schatten des Handball-Punks zur Spielerpersönlichkeit entwickelt hatte. Im Verein (beim TBV galt das Interesse lange eher Daniel Stephan, Markus Baur und Christian Schwarzer) und im Nationalteam.
Der 29-Jährige fühlte sich im Hintergrund eigentlich wohl, wusste aber, dass das nicht so bleiben würde und wird. Vor allem dann nicht, wenn er vom 19. Januar bis zum 4. Februar bei der Weltmeisterschaft in Deutschland spielen kann. »Das wird in Zukunft mehr«, vermutete der Lemgoer schon während der WM 2003 und meinte den Druck von Öffentlichkeit und Medien. »Aber ranschmeißen werde ich mich an keinen.«
Kaum Sprüche, einige Tatoos, eine modische, nicht zu auffällige Frisur, 2006 die Hochzeit mit seiner langjährigen Freundin Diana, ein Kind ist unterwegs. Perfekt zu vermarkten, weil nicht zu viele Ecken und Kanten. Sicher - das auch. Aber Kehrmann ist vor allem ein Arbeiter auf der Suche nach der Perfektion am Ball. »Wenn man ganz nach oben möchte, muss man mehr tun als andere«, erinnert sich Kehrmann an eine in Jugendjahren gereifte Erkenntnis.

Artikel vom 22.11.2006