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Stück über menschliche Abgründe

George Enescus Oper »Ödipus« hat Premiere im Stadttheater


Bielefeld (uj). Für Generalmusikdirektor Peter Kuhn stellt es ein »Mysterium« dar, dass George Enescus Oper »Ödipus« auf den internationalen Spielplänen eine Rarität darstellt. Das Theater Bielefeld macht eine Ausnahme von der Regel und spürt dem aktuellen Gehalt des antiken Mythos' in einer Inszenierung von Nicholas Broadhurst nach.
An der vom Schicksal schwer geprüften Figur des Ödipus, der unwissentlich seinen Vater tötet, seine Mutter Jocaste ehelicht, mit ihr Kinder zeugt, sich blendet, nachdem ihm die Zusammenhänge klar geworden sind und zuletzt, nach langer Irrfahrt, friedlich ins Totenreich hinabsteigt, wollte Enescu zeigen, dass der Mensch sein Schicksal bezwingen kann - vorausgesetzt, er nimmt es an.
Schicksale indes entscheiden sich heute nicht durch Orakel und Ungeheuer, sondern durch Naturkatastrophen und Kriege. In Konsequenz dazu verlegen Broadhurst und sein Ausstattungsteam den Schauplatz der Tragödie in ein Flüchtlingslager.
Es bietet das Tableau für ein Massenspektakel, in dem der Chor über die Rolle des antiken Kollektivs hinaustritt und als Akteur die Handlung tiefenpsychologisch durchleuchtet -Êgleichsam als Resonanzkörper, der die feinen Schwingungen des tragischen Schicksal Ödipus' aufnimmt und verarbeitet. »Dessen Partie gehört mit zum Größten und Anspruchsvollsten, was das Bass-Bariton-Repertoire zu bieten hat«, sagt Musikdramaturg Dr. Uwe Sommer. Die Partie übernimmt Alexander Vassiliev, der in Bielefeld bereits als Caspar in »Der Freischütz« sowie als Wassermann in »Rusalka« und Philipp in »Don Carlos« zu erleben war.
Die rhapsodisch gewirkte Partitur adaptiert unterschiedliche Stile und folgt dem Text. Ihre Größe liegt darin, dass sie besonders tief in die Abgründe menschlichen Empfindungsvermögens hinableuchtet und trotz gigantisch großer Besetzung in weiten Teilen kammermusikalisch schillert.
Die Premiere findet am Samstag, 25. November, 19.30 Uhr, im Stadttheater statt. Weitere Vorstellungen am 2., 8., 17., 20. und 28. Dezember sowie am 25. Januar.
Karten unter Telefon 51 54 54.

Artikel vom 24.11.2006