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Benedikt wandert auf islamischem Terrain

Vor heiklem Türkeibesuch - Einst 30 Prozent Christen

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Christen sind in der islamischen Türkei Exoten. Der Besuch des Papstes in der kommenden Woche ist eine Gratwanderung.
»St. Antonius von Padua«: eine katholische Kirche in Istanbul.

Die Reise in das Land, wo es vor 100 Jahren noch 30 Prozent Christen gab und das letzte Pogrom gegen Christen 1954 stattfand, ist heikel: aktuell, weil Benedikts Islam-Zitat seine Gegner erzürnt. Historisch, wegen des Mordes an Armeniern, Aramäern und Griechen sowie wegen des Bevölkerungsaustausches, wie die ethnische Säuberung 1925 im Vertrag von Lausanne genannt wird.
Über allem schwebt die vom Papst beim jüngsten DeutschlandBesuch vorgetragene Mohammed-Charakterisierung aus dem 14. Jahrhundert: »Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten... Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.« Ob es zum inhaltlichen Austausch kommt, scheint ungewiss.
Benedikt erwarten vom 28. November bis 1. Dezember weder jubelnde Menschenmassen noch Messen vor einem Millionenpublikum. Stattdessen gilt in Ankara, Ephesus und Istanbul die höchste Sicherheitsstufe.
Die Christen in der Türkei erhoffen eine Verbesserung ihrer Lage. »Ein Ziel des Papstes liegt darin, die katholischen Gemeinden in der Türkei zu ermuntern und ihnen Hoffnung zu geben«, sagt der Bischof der Stadt Iskenderun, Luigi Padovese. Die rechtliche Situation der Christen im Land müsse verbessert werden. So sei die katholische Kirche nicht anerkannt und es gebe immer wieder Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden.
»Von Religionsfreiheit lässt sich nicht wirklich sprechen.« Doch nicht nur die Änderung von Gesetzen sei nötig. »Wichtiger ist ein Wandel in der Mentalität. Man sollte den Christen gegenüber eine andere Haltung entwickeln«, meint der Bischof. Er weiß, dass eine solche Entwicklung viele Jahre braucht.
Papst Benedikt wird am ersten Reisetag den Vorsitzenden der Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, treffen. Dieser hatte im September besonders hart auf die Islam-Äußerungen des Papstes reagiert und eine Entschuldigung verlangt.

Artikel vom 22.11.2006