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37 Verletzte nach Amoklauf
in Emsdettener Realschule

Schwer bewaffneter Ex-Schüler begeht anschließend Selbstmord

Von Christian Althoff
Emsdetten (WB). Amoklauf im münsterländischen Emsdetten (Kreis Steinfurt): Dort ist ein ehemaliger Schüler gestern mit vier Gewehren bewaffnet in die Geschwister-Scholl-Realschule gestürmt und hat um sich geschossen. Bastian B. (18) verletzte den Hausmeister, eine Lehrerin und 19 Schüler, bevor er sich das Leben nahm.
Zwei SEK-Beamte verlassen die Geschwister-Scholl-Realschule, in der Bastian B. (r.) gestern um sich geschossen hatte. Fotos: Hörttrich

Vier der 19 Schüler wurden von Kugeln schwer verletzt, schweben aber nicht in Lebensgefahr. Die übrigen erlitten schwere Schocks oder Rauchvergiftungen. Am schlimmsten hat es den Hausmeister erwischt, der von einer Kugel in den Bauch getroffen worden war. Im Krankenhaus liegen zudem 16 Polizeibeamte. Sie hatten bei der Stürmung der Schule Vergiftungen erlitten, nachdem der Amokläufer Rauchbomben gezündet hatte. Damit hat der Täter insgesamt 37 Menschen verletzt.
»Der Amoklauf war länger geplant«, erklärte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer und verwies auf einen Abschiedsbrief, den Bastian B. im Internet hinterlassen hatte. Schweer ließ die Internetseite (www.stay-different.de), auf der der Täter im Fleckentarnanzug mit einem Gewehr posiert, sofort sperren: »Wir wollen mögliche Nachahmer nicht noch ermutigen.«
Der Amokläufer schrieb in seinem Abschiedsbrief, ein Großteil seiner Rache werden sich gegen das Lehrpersonal richten, »denn das sind die Menschen, die gegen meinen Willen in mein Leben eingegriffen haben.« In der Schule sei man von Gleichaltrigen nur beachtet worden, wenn man das neueste Handy und die neuesten Klamotten gehabt hätte. »Ich habe 18 Jahre erfahren müssen, dass man nur glücklich werden kann, wenn man sich der Masse fügt. Aber das wollte ich nicht!«, schrieb der Täter ins Internet, und: »Ich will Rache. Ihr müsst alle sterben!«
Oberstaatsanwalt Schweer bewertete den Abschiedsbrief in einer ersten Analyse als »Zeilen eines jungen Menschen, der in einer tiefen Sinnkrise steckt.« Trotz des »martialischen Internet-Fotos« gebe es keinen Hinweis darauf, dass der Täter einer extremistischen Gruppierung angehöre.
Bastian B. hat einen Bruder (16) und eine Schwester (15) und stammt nach Angaben der Polizei aus geordneten Verhältnissen. 2005 hatte er die Geschwister-Scholl-Realschule mit der Mittleren Reife verlassen. »Das war schon ein komischer Typ. Ein Einzelgänger, der meistens schwarze Kleidung trug, und zu dem man automatisch Abstand hielt«, erinnerte sich gestern ein Schüler. In den Akten der Polizei tauchte Bastian B. zum ersten Mal in diesem Jahr auf, nachdem er mit einer scharfen Pistole »Walther P 38« erwischt worden war. Wegen dieses unerlaubten Waffenbesitzes hätte sich Bastian B. heute vor dem Amtsgericht in Rheine verantworten müssen. »Kein Bulle hat das Recht, mir meine Waffe wegzunehmen, schon gar nicht, während er seine am Gürtel trägt!«, heißt es dazu im Abschiedsbrief des 18-jährigen Amokläufers.

Artikel vom 21.11.2006