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»Eklatanter Verstoß«
nach der Operation

Behandlungsfehler: Patientin erhält 13 000 Euro

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Einen »eklatanten Verstoß« in der Operationsnachsorge einer Blinddarm-Patientin hat ein medizinischer Gutachter dem Ev. Krankenhaus vorgeworfen. Die Richter der 4. Zivilkammer des Landgerichts haben daher der Frau im Wege eines Urteils jetzt 13 000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Wegen anhaltender Bauchschmerzen hatte sich die 24-jährige Frau in den Krankenanstalten Gilead vorgestellt. Am 17. März 2004 wurde ihr dort der Appendix operativ entfernt. Die Entscheidung zur Operation bezeichnete Gutachter Dr. Hans Löhr (66), Leitender Oberarzt der Ruhrklinik Essen, nun vor dem Landgericht Bielefeld unzweifelhaft als »korrekt«. Patientin Grace U. (Name geändert) hatte selbst diese Maßnahme mit ihrer Klageschrift schon in Frage gestellt. Fraglich indes sah auch der Sachverständige eine »mangelhafte Dokumentation« in der Krankenakte der Frau am Tag nach der Aufnahme in die Klinik an.
Tatsächlich war es während der OP zu einer Komplikation gekommen: Im Nachhinein war eine Perforation des Dünndarms festgestellt worden, der im Verlauf des ersten Eingriffs passiert war. Erhebliche Konsequenz war am 20. März 2004 eine zweite Operation: Der jungen Frau musste erneut die Bauchdecke aufgeschnitten werden, um die Perforation zu schließen. Die Verletzung des Dünndarms selbst wertete der Sachverständige vor der 4. Zivilkammer nun keineswegs als Behandlungsfehler. Die Patientin jedoch hatte durch diverse Nachbehandlungen in anderen Kliniken immerhin eine 30 Zentimeter lange Narbe davongetragen, fühlt sich dadurch sehr verunstaltet. Daher verklagte sie das Ev. Krankenhaus als Rechtsnachfolger der behandelnden Klinik.
Indessen sprach sich der Gutachter klar dafür aus, dass die zweite Operation zur Behebung des Dünndarmschnittes früher hätte durchgeführt werden müssen. Bei der Patientin war am ersten Tag nach dem Blinddarmeingriff ein ungewöhnlich hoher Entzündungswert (des C-Reaktiven Proteins in Höhe von 283) festgestellt worden, dazu war »ein dramatischer Abfall der weißen Blutkörperchen« konstatiert worden. Dr. Hans Löhr: »Das spricht für eine schwerste Entzündung und eine beginnende Sepsis (Blutvergiftung), da wäre eine Computertomographie (CT) unerläßlich gewesen.« Die war jedoch unterlassen worden, andernfalls hätte man nach den Worten des Sachverständigen »sofort operiert«.
Konsequenz des Essener Oberarztes: »Die Patientin hat 24 Stunden mehr Schmerzen als notwendig gehabt.« Die Zivilkammer unter Vorsitz von Volker Sprute schlug den Parteien darauf einen Widerrufsvergleich vor, der der Frau 15 000 Euro Schmerzensgeld zumaß.
Grace U. indes widerrief diesen Vergleich. Mit dem Urteil sprachen die Richter der Frau nun 13 000 Euro Schmerzensgeld zu.Az. 4 O 616/05

Artikel vom 21.11.2006