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Irrtum nicht
ungewöhnlich
Blinddarmentzündung übersehen

Ein folgenschwerer Diagnosefehler eines Arztes ist nicht gleich als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst einzustufen. Das hat das OLG Koblenz entschieden.
Ein Mädchen hatte mit starken Bauchschmerzen ihren Hausarzt aufgesucht. Nach einer ersten Untersuchung samt Ultraschall ging der Arzt von einer Magen-Darm-Grippe aus. Er verschrieb der 15-Jährigen ein Schmerzmittel und Medikamente zur Behandlung von Magen- und Darmstörungen.
Als das Mädchen drei Tage später mit noch stärkeren Schmerzen und Fieber wieder die Praxis aufsuchte, diagnostizierte der Arzt einen Harnwegsinfekt und veranlasste eine Blutuntersuchung. Als diese wiederum 48 Sunden später eine Entzündung im Körper der jungen Frau bestätigte und das Fieber sich in der Zeit erhöht hatte, wies der Allgemeinmediziner sie in das örtliche Krankenhaus ein.
Auch in der Klinik ergab sich zunächst kein verlässlicher Befund. Erst während einer Bauchspiegelung in der Gynäkologie erkannten die Ärzte einen Durchbruch am Wurmfortsatz des Blinddarms und eine Bauchfellentzündung. Das Mädchen musste drei Operationen über sich ergehen lassen und über zwei Monate im Krankenhaus verbleiben.
Wegen der OP-Narben an ihrem Bauch verklagte sie ihren Arzt auf 20 000 Euro Schmerzensgeld. Schließlich sei dessen anfänglicher Diagnosefehler die Ursache allen Übels gewesen.
Das OLG Koblenz wies die Klage ab (Urt. v. 29.6.2006 - 5 U 1494/05). Der Diagnosefehler des Arztes stelle keinen schweren Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst dar, so das Gericht. Der Mann habe unter den gegebenen Umständen vertretbar gehandelt. Wie die ersten ergebnislosen Untersuchungen in der Klinik gezeigt hätten, sei die Befundlage schwierig gewesen und von dem Arzt plausibel gedeutet worden, so die Richter. Falsche Diagnosen seien in der medizinischen Praxis nicht ungewöhnlich und könnten nicht ohne Weiteres als vorwerfbares Fehlverhalten angesehen werden. Denn die Symptome seien oft mehrdeutig und ließen auf die verschiedensten Ursachen schließen.

Artikel vom 24.11.2006