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Schulz kämpft um Rekord und Ehre

»Die Nacht der Antworten«: 14 500 Zuschauer in Halle und Millionen am TV wollen ihren Helden siegen sehen

Von Oliver Kreth
Halle (WB). Noch immer ist er der ungekrönte König der Box-TV-Quoten. Die knapp 19 Millionen, die Axel Schulz bei seinem Kampf gegen Francois Botha sahen, sind nach wie vor absolute Spitze. An diesem Samstag (22 Uhr/RTL) könnten es sogar mehr werden.

Denn die »Nacht der Antworten« ist ein absoluter Publikumsrenner. Das Gerry-Weber-Stadion in Halle wird beim Einmarsch der Kontrahenten gegen 23 Uhr proppenvoll sein. Fast alle der 14 500 Fans wollen den Deutschen zum Sieg in seinem ersten Schwergewichtskampf nach sieben Jahren schreien.
Dass es ein paar Schulz-Skeptiker am Ring geben wird, weiß der Mann, der bei vielen den wenig schmeichelhaften Beinamen der »weiche Riese« trägt. Nicht nur denen will er beweisen, dass er ein anderer Boxer, ein Besserer im Seilgeviert geworden ist. »Aber natürlich habe ich nicht alles umgestellt. Das geht bei einem Mann von 38 gar nicht mehr. Entscheidendes hat sich bei mir aber im Kopf getan: Früher musste ich in den Ring, heute will ich«, lässt das Schwergewicht einen Einblick in seine Gefühlswelt zu.
Den gewährte Schulz (32 Kämpfe, 26 Siege, davon 11 K.o., 1 Unentschieden, 1 Fight ohne Wertung) am Mittwoch auch bei Stern TV, er war zu Gast bei Günther Jauch. Die Antworten, die der Papa von Paulina da gab, waren bekannt. Nur als ihn Jauch pseudomäßig anberlinerte, verfinsterte sich für einen kurzen Moment sein entspanntes Gesicht.
Aber er hat es ja so gewollt. Das Comeback, den Gegner Brian Minto aus den USA (27 Kämpfe/26 Siege/15. K.o.) und auch den medialen Hype um seine Person in Deutschland. Jetzt muss er sich im Ring stellen - vor den Augen der nationalen Prominenz, von Heino über Udo Lindenberg bis hin zu den Chefkritikern und Ex-Champions Graciano Rocchigiani und Dariusz Michalczewski.
Was ihn im Ring erwarten wird, ist klar. Das »Biest« wird Druck machen, versuchen, nichts dem Urteil der deutschen Punktrichter zu überlassen. Diese Phase muss er in dem auf zehn Runden angesetzten Fight überstehen. Dann werden seine Siegeschancen besser - auch wegen seiner herausragenden Konstitution und Kondition.
Als Vorteil empfindet der Brandenburger es auch, dass er sich nicht als Favorit sieht. »Dass ist so ähnlich wie gegen George Foreman 1995. Ich bin gegen Brian der Außenseiter, schließlich habe ich sieben Jahre nicht wettkampfmäßig geboxt.« Gegen das Faust-Idol, das seinem damaligen Gegner jetzt in einer Video-Grußbotschaft zu einem großen Kampf aufforderte, machte »Schulle« in Las Vegas im MGM-Hotel den Kampf seines Lebens und wurde von den US-Richtern böse gelinkt. Genau wie beim Kampf gegen Botha in Stuttgart. Der Südafrikaner war gedopt. Sein dritter WM-Fight gegen Michael Moorer und das EM-Debakel gegen Wladimir Klitschko waren dagegen eindeutig. Alles Dinge, mit denen sich Schulz derzeit nicht mehr beschäftigt. »Das ist abgehakt, das war eben so. Ich kann es nicht mehr ändern. Jetzt schaue ich nur nach vorne. Und 2006 war schon jetzt des beste Jahr meines Lebens.«
Eine Entscheidung steht aber schon vor dem ersten Gong fest. Sollte er in Halle deklassiert werde, wird er endgültig den Ring räumen und sofort die »Rente« einreichen. Doch davon geht momentan keiner aus. Eher bauen der Boxer, sein Team und der übertragende TV-Sender auf einen Sieg des Sympathieträgers und damit auf noch zwei Kämpfe und möglicherweise weitere TV-Rekorde.

Artikel vom 25.11.2006