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»Das ist schön. Sie sind
ein richtiger Impressionist!«

Freundeskreis legt Hermann Stenners Korrespondenz vor

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Weihnachten kann kommen: Genau richtig zum Fest ist ein Buch erschienen, das nicht nur Kunstfreunde weit oben auf ihren Wunschzettel setzen dürften, sondern das auch anderen Lesern genussvolle Lektürestunden bereiten wird: die Korrespondenz Hermann Stenners.

Der Bielefelder Expressionist, der 1914 im Alter von nur 23 Jahren kriegsbedingt aus dem Olymp der Maler-Avantgarde stürzte, hat seinen künstlerischen Werdegang von den Anfängen in München (1909) über seine fruchtbare Stuttgarter Zeit (ab 1910) bis zu seinem frühen Tod, bis zur letzten Feldpostkarte von der Ostfront, schreibend aufgezeichnet und kommentiert.
Wer also Passagen über die Anfänge des jungen Malers sucht - »Das ist einzig schön. Sie sind ein richtiger Impressionist« -, findet hübsche Informationen.
Wer eine Ahnung davon gewinnen möchte, wie so ein armer Studentebub damals lebte - »Ich habe mir einen kleinen Spirituskocher und einen Kochtopf gekauft, und nun wird feste drauflos gekocht« -, wird mit humorigen bis eindringlichen Trouvaillen reich beschenkt.
Und wer ganz sicher weiß, dass Lehrjahre gerade im fin de siècle keine Herrenjahre waren, findet sich glanzvoll bestätigt: »Mit dem Mantelkauf wird's also wohl nichts, und muß ich mich mit meinem alten behelfen. Wenn Herr Prof. Knirr nun auch noch sein Schulgeld verlangt, sitze ich fürchterlich in der Klemme.«
Hermann Stenners Briefe, die bei Nachlassordnungen auf einem Dachboden entdeckt und von Elisabeth Korn, einer Nichte Stenners, und ihrem Mann sorgfältig transkribiert wurden, sind zumeist an seine Eltern in Bielefeld gerichtet. Aus Friedenszeiten sind dies etwa 220 Schreiben, die um einige Briefe und Postkarten an Stenners Freundin Clara Bischoff ergänzt wurden. Und aus der Zeit beim Militär sind 26 Nachrichten und zwei Tagebucheinträge erhalten.
Kaum war das Buch gedruckt, hatte es schon einen jungen Leser gefunden: Ein Sohn der für den »Freundeskreis Hermann Stenner« arbeitenden Kunsthistorikerin Christiane Lutterkort, in der Schule mit dem Thema »Erster Weltkrieg« konfrontiert, nutzte die plastischen Schilderungen des Künstlers als hochwillkommene Quelle. Hier macht sich die Mitarbeit des Historikers Markus Pöhlmann bezahlt, der zahlreiche Episoden aus den Briefen zeitgeschichtlich einbettet.
Mitherausgeberin - neben dem rührigen Freundeskreis (Tel.: 05 21 / 17 17 84) - ist Prof. Dr. Karin von Maur, stellvertretende Leiterin der Stuttgarter Staatsgalerie und Spezialistin für den Hölzel-Kreis, jene Gruppe der Meisterschüler, der auch Stenner angehörte. Auch sie wahrt in ihren kunsthistorischen Erläuterungen erfreulicherweise Abstand zum üblichen elitär-wissenschaftlichen Wortgeklingel, so dass, wer will, hier ein Buch voller Informationen aufschlägt, voller Witz und gedanklicher Tiefe. Hier wird nicht nur ein Mensch aus fernen Zeiten wieder lebendig, sondern seine ganze Epoche gleich mit.
l Wer wäre geeigneter als jemand, der wie Stenner aus dem Norden kam und Wahlbayer wurde, um uns die lebensprallen Schilderungen des ostwestfälischen Künstlers nahezubringen: Nikolaus Benda (28), der TV-Sohn von »Tierarzt Dr. Engel« (ZDF) und auch aus anderen Dauerserien bekannt, besucht am Mittwoch, 29. November, die Kunsthalle und liest aus Stenners Korrespondenz.
Aus Freude über das Erscheinen des wunderbaren Buches klingen um 18.30 Uhr die Sektflöten, bevor um 19 Uhr die Lesung im Vortragssaal beginnt. Und wenn das immer noch nicht überzeugt: Der Stenner-Band, sonst für 29,95 Euro im Buchhandel, kostet am 29. November nur 25 Euro.
Karin von Maur/Freundeskreis Hermann Stenner (Hg.): Der Maler Hermann Stenner im Spiegel seiner Korrespondenz. Briefe 1909-1914; Prestel-Verlag München/Berlin et al. 2006; 464 Seiten, 29,95 Euro.
www.hermann-stenner.de

Artikel vom 18.11.2006