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Einkaufen rund um die Uhr

Landtag kippt Ladenschluss - Verdi erwartet Krankmeldungen

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Der Ladenschluss ist in Nordrhein-Westfalen Geschichte. Mit den Stimmen von CDU und FDP hat der Düsseldorfer Landtag gestern beschlossen, die Öffnungszeiten freizugeben. Von Dienstag an können Geschäftsleute an Werk- und Samstagen rund um die Uhr verkaufen.
Stefan Genth: »Jetzt kann der Handel flexibler sein.«

Hektische Besorgungen nach Feierabend oder in der Mittagspause seien damit nicht mehr nötig, sagte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Während die Bezirksvorsitzende der OWL-FDP, Gudrun Kopp, von einem »Tag der Freiheit« sprach, lehnen SPD und Grüne das Gesetz als arbeitnehmerfeindlich ab. Die katholische und evangelische Kirche sehen den Schutz der Sonntagsruhe eingeschränkt, wenn die Läden samstags bis Mitternacht öffnen. »In NRW wird ohne Not der Weg der Ökonomisierung aller Lebensbereiche fortgesetzt«, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
Der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe begrüßte das Gesetz und rät seinen Mitgliedern, mit besonderen Aktionen wie dem »Mitternachtsshopping« die Chance zu nutzen. »Kleinere Städte und Gemeinden könnten den Dienstleistungsdonnerstag bis 21 Uhr aufleben lassen, um sich gegenüber den Oberzentren Bielefeld und Paderborn zu profilieren«, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dieser Zeitung. Die Geschäftsleute in den kleineren Kommunen bräuchten trotz der Liberalisierung der Öffnungszeiten weiterhin die vier umsatzstarken verkaufsoffenen Sonntage. Weil die Nachbarn Hessen und Niedersachsen andere Regelungen hätten, werde es zu einem »Flickenteppich der Öffnungszeiten« kommen, bedauert Genth.
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte das Gesetz scharf. »Arbeitsschutzbestimmungen fehlen komplett«, sagte die Leiterin des Fachbereichs Handel in NRW, Lieselotte Hinz, dieser Zeitung. Betriebsärzte hätten in der Anhörung betont, dass Nachtarbeit nach 21 Uhr gesundheitsschädlich sei. CDU und FDP hätten diese Warnungen nicht ernst genommen, erklärte Hinz. Es sei zu befürchten, dass Verkäufer und Kassiererinnen künftig verstärkt über Kreislaufstörungen, Magenprobleme und Schlafmangel klagen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (iwd) in Köln erwartet von der Freigabe der Öffnungszeiten »höchstens einen minimalen« Zuwachs beim Umsatz. »Standardwaren wie Butter und Brötchen werden nicht mehr verkauft, eher Luxusgüter, wenn gutbetuchte Einheimische oder Touristen abends über die Düsseldorfer Kö bummeln«, sagte Klaus-Heiner Röhl vom iwd. Die Liberalisierung mache Deutschland als Einkaufsstandort attraktiver.
Seite 4: Kommentar / Lokalteil

Artikel vom 17.11.2006