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Ein Täter und
42 Anklagen

46-Jähriger pöbelt und stiehlt

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Vor diesem Straftäter haben Justiz und Mediziner (fast) kapituliert: Der Bielefelder Justus B. (Name geändert) ist wegen einer Persönlichkeitsstörung aggressiv, pöbelt und stiehlt. Eine Unterbringung in der Psychiatrie ist nicht möglich, einer Behandlung verweigert sich der Mann.

Das Amtsgericht Bielefeld verurteilte den 46-Jährigen gestern zu weiteren 28 Monaten Strafhaft. Hoffnung auf Besserung hatte auch die Amtsrichterin nicht: »Sie werden sich nicht ändern.« - Immerhin 42 Anklageschriften musste der Staatsanwalt verlesen, um das Sündenregister des Analphabeten seit 2004 zu komplettieren. Darunter waren allein 35 »übelste Beleidigungen« zumeist von Frauen, die von Justus B. aggressiv-übel gelaunt mit obszönen Sprüchen angeschrien wurden. Besonders mies waren auch die Beleidigungen ausländischer Mitbürger, die der Schreihals rassistisch verfemte. Auch vor Polizeibeamten und einer Pastorin machte der 22 Mal vorbestrafte Mann nicht halt. Ganz gemein waren jedoch diese Taten: Viermal spuckte Justus B. Menschen an; wohl wissend, dass er unheilbar an Hepatitis C erkrankt ist! Alle Opfer hatten Glück: Niemand infizierte sich mit den Erregern, die zu irreparablen Leberschäden führen können. Im übrigen ist B. in Bielefeld als notorischer Schwarzfahrer bekannt, fällt durch Hausfriedensbruch, Diebstahl geringwertiger Sachen und Sachbeschädigungen auf. So zerstörte er in einer Bielefelder Kirche auch Bleiverglasungen. Schaden: 500 Euro.
Aufenthalte in Haftanstalten wegen einschlägiger Straftaten verbringt der Mann teilweise in besonders gesicherten Hafträumen, weil er gegen Justizwachtmeister renitent wird. Im gestrigen Prozess vor dem Amtsgericht Bielefeld pöbelte er sogar seinen Verteidiger an, der sich redlich um eine Lösung bemühte. Nach Ansicht eines psychiatrischen Gutachters sollte der an einer Persönlichkeitsstörung leidende Angeklagte (»teilweise eingeschränkt schuldfähig«) in den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel untergebracht werden. B. könne dort eine eigene Wohnung bekommen, müsse sich nur von Ärzten behandeln und medikamentieren lassen.
Der Bielefelder lehnte den Vorschlag barsch ab. Er fürchtet, von den Medizinern »vergewaltigt« zu werden. Konsequenz des Staatsanwalts: »Sie sind nicht bereit, zu Ihrer Sozialisierung beizutragen. Daher gibt es auch keine günstige Sozialprognose«, die für eine Strafaussetzung zur Bewährung notwendig wäre.
Die Amtsrichterin folgte gestern dem Antrag des Staatsanwalts: Sie verhängte zwei Jahre und vier Monate Haft für 35 Beleidigungen, 24 Schwarzfahrten, sechs Diebstähle, fünf Hausfriedensbrüche, drei Sachbeschädigungen und einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung wegen Trunkenheit.

Artikel vom 17.11.2006