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Kinder - zugleich Zukunft und Opfer dieser Welt

Heute im Gespräch: Günther Bitzer

Bielefeld (WB). »Wir gehen direkt und ohne Umwege zu den Ärmsten«: Das sagt Günther Bitzer, Deutschland-Direktor von World Vision, im Gespräch mit Reinhard Brockmann. World Vision ist Partner der WESTFALEN-BLATT-Weihnachtsaktion 2006.Günther Bitzer ist Deutschland-Direktor von World Vision mit Sitz bei Frankfurt am Main.

World Vision gilt als eine der großen internationalen Hilfsorganisationen in Deutschland. Was ist das Besondere, was unterscheidet sie von anderen?Bitzer: World Vision ist ein unabhängiges christliches Hilfswerk, das sich besonders für Kinder einsetzt. Kinder sind die Zukunft unserer Welt - und gleichzeitig die wehrlosesten Opfer bei Krisen jeder Art. Über eine Patenschaft können Spender direkten Kontakt zu einem Kind und seiner Familie haben, die durch Projekte in Afrika, Asien und Südamerika umfassende Hilfe zur Selbsthilfe erhalten. Eine Kinderpatenschaft kostet 30 Euro im Monat oder 1 Euro am Tag.

Was macht bei World Vision das spezifisch Christliche aus?Bitzer: Die Grundsätze des Christentums sind für uns Leitmotiv. Den Benachteiligten, Notleidenden und Entrechteten dieser Welt zu helfen, hat Priorität in unserer täglichen Arbeit. Wir möchten dazu beitragen, die Vision von einer gerechteren Welt umzusetzen. Die Religionszugehörigkeit der Menschen in den Projektgebieten hat jedoch keinen Einfluss auf die Frage, ob Hilfe geleistet wird oder nicht. World Vision leistet Hilfe dort, wo sie am nötigsten gebraucht wird, unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Religion oder Nationalität der Hilfsempfänger.

World Vision hat 50 Jahre Erfahrung mit Entwicklungsarbeit. Was können Hilfsorganisationen besser als Entwicklungshilfeminister oder jede andere staatliche Stelle? Bitzer: Wir müssen unsere Hilfe nicht über die Regierung abwickeln, sondern können direkt zu den Armen gehen. Wir gelten als vertrauenswürdig, weil wir Versprechen halten und lange vor Ort sind. Dabei ist es uns ein Anliegen, alle Gruppen der Bevölkerung so umfangreich und intensiv wie möglich in die Projektarbeit mit einzubeziehen. Wir möchten am Ende eines Projekts erreicht haben, dass die Menschen auf eigenen Füßen stehen und sich ihrer Probleme selbst annehmen können.
Das WESTFALEN-BLATT bittet seine Leser mit Ihrer Unterstützung, in Malawi zu helfen. Worauf kommt es in diesem kaum bekannten Land besonders an? Bitzer: Malawi liegt im Südosten Afrikas und gehört zu den friedlichsten, aber trotzdem ärmsten Ländern der Welt. Die dringlichste Aufgabe ist es, in einer Bevölkerung, in der etwa 14 Prozent mit HIV infiziert sind, diese tödliche Krankheit durch intensive Aufklärungsarbeit einzudämmen und gleichzeitig den Menschen wirtschaftliche Perspektiven und Wege aus der Armut zu zeigen. Das geschieht durch unser Kreditprogramm FITSE, in dem Wirtschaftsförderung und AIDS-Aufklärung überwiegend in Zusammenarbeit mit Frauen kombiniert wird. Frauen sind nicht nur am häufigsten HIV infiziert, sondern auch diejenigen, die für Erkrankte und Waisen sorgen. Außerdem kommt ihnen in der Aids-Aufklärung innerhalb der Familien aber auch ökonomisch im Haushalt die wichtigste Rolle zu.

Afrikas ärmste Länder, so ein weit verbreiterter Eindruck, erleben immer neue Rückschläge: Armut, Kriege, Aids. Weshalb lassen Sie sich nicht entmutigen?Bitzer: Wir sehen nicht nur die Probleme, sondern auch die Potenziale dieses Kontinents. Sogar die Weltbank lobt die wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte. Der Weltbank zufolge weisen 16 afrikanische Länder seit einem Jahrzehnt ein stetiges jährliches Wachstum von mehr als 4,5 Prozent auf. Davon kann die Bundesrepublik nur träumen. Wenn die Industrieländer stärker an Entwicklung und weniger an Rohstoff-Ausbeutung interessiert wären, ginge es Afrika noch besser.
Wir sehen tagtäglich in unserer Projektarbeit, dass die Afrikaner eigene Ideen haben und hart arbeiten, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Deshalb unterstützen wir in vielen Ländern auch Spar-und Kreditprogramme, an denen sich meistens Frauen erfolgreich beteiligen.
Man kann auch ganz rational argumentieren: Wir leben alle in einer Welt und müssen Verantwortung für die Schwächsten übernehmen. Wenn wir Afrika nicht dabei helfen, seine Probleme zu lösen, wird die Auswanderung weiter zunehmen und die Armut zu uns kommen.

Welches Erlebnis, bestärkt Sie ganz persönlich, nicht aufzugeben?Bitzer: Die leuchtenden Augen und strahlenden Gesichter der Kinder, wenn sie z.B. Schulhefte und Stifte empfangen, und die Worte der Dankbarkeit von den Eltern bestärken uns täglich, nicht aufzugeben und immer wieder auch nach Rückschlägen neu anzufangen.

Sind die Deutschen eigentlich geizig oder geben wir alle gern etwas für eine gute Sache?Bitzer: Die Deutschen sind ein sehr spendenfreudiges Volk. Im vergangenen Jahr wurden 2,6 Milliarden Euro nur von den Deutschen gespendet. Auch wir von World Vision möchten uns ganz herzlich bei unseren Paten und Unterstützern bedanken. Mit ihrer Hilfe konnten wir viel Gutes tun und auch einige neue Projekte starten. Herzlichen Dank dafür.

Artikel vom 17.11.2006