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Starker Auftritt in
schönen Schuhen
Klasse statt Masse: Schaut auf eure Füße, Männer!
Frauen lieben Schuhe. Und sie mögen Männer, die makellose Schuhe tragen. Wer nichts Ansprechendes an den Füßen hat, braucht »ihr« gar nicht erst nachzulaufen. Wie auch - treten doch die meisten Männer auf der Stelle, sobald es um das Schuhwerk geht.
Einer, der weiß, wo den Mann der Schuh drückt, ist der Autor Helge Sternke. »Männer«, schreibt er in seinem Buch 'Alles über Herrenschuhe', »haben Angst vor einem Fehlkauf.« Was soll das denn? Wer sein Auto mit Breitreifen und Aluminiumfelgen ausstaffieren kann, wird ja wohl noch imstande sein, die eigenen Füße in geschmeidiges Leder zu kleiden. Doch genau das ist ein Hemmschuh.
Hochwertiges Leder hat seinen Preis, dazu die aufwändige Verarbeitung - da kommt schnell ein stolzes Sümmchen zusammen. Und das für ein Paar Schuhe... Das heißt, genau genommen sind es im Schnitt fünf Paar pro Jahr, einschließlich Badelatschen und Gummistiefel, die insgesamt mit 200 Euro zu Buche schlagen. Und auch diese Zahl fußt auf Tatsachen: Schlappe 0,9 Prozent seines Verdienstes gibt der deutsche Mann - durchaus bereitwillig - für Schuhe aus. Den modebewussten Italienern, die immerhin 2,1 Prozent ihres Monatseinkommens für »Herrenschuhe« übrig haben, hinkt er freilich müde hinterher.
Wohlgemerkt, »Herrenschuhe«. Jene also, die sich von der Massenware sehr deutlich unterscheiden. So genannte Premiumschuhe gehen nicht aus dem Leim, könnten sie auch gar nicht, weil erstklassige Verarbeitung diese Rahmengenähten auf Schritt und Tritt begleitet. Gut zu wissen, schließlich bringt es der Mensch im Laufe seines Lebens auf 150 Millionen Schritte, was einer Strecke von 100 000 Kilometern entspricht. Wer gut zu Fuß sein will, sollte daher besser nicht knausern. Er könnte sonst ziemlich betreten dastehen. Mit zehn bis zwanzig Paar Rahmengenähten, so hat der kenntnisreiche Schuhfreund Sternke ausgerechnet, komme man jedoch schon recht weit. Wobei die Lebensdauer der Fußbekleidung von diversen Faktoren beeinflusst wird. Eine übergeordnete Rolle spielt das Material, gefolgt von der Verarbeitung und der Machart. Lauter zuverlässige »Zutaten«, die man aber keinesfalls stets und ständig mit Füßen treten sollte.
Will sagen: Schuhe brauchen mindestens einen Tag zum Auslüften. Man(n) mag es ja nicht glauben, aber ein geschultes Auge erkennt sofort, ob es einen »Dauerläufer« vor sich hat. Die dunkel verfärbte Brandsohle verrät ihn. Ist sie dagegen noch naturlederfarben und ziemlich hell, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Schuhe ihre wohlverdienten Ruhepausen hatten. Überhaupt verkürzt eine Brandsohle, die zum »Feuchtgebiet« wird, das Schuhleben enorm: Sie dehnt sich aus, die Einstechnaht reißt, der Schaft löst sich von der Sohle - in solchen Schuhen kann niemand mehr Fuß fassen.
Schuhverwöhnte leisten sich diesen »Fehltritt« selbstverständlich nicht. Aber ist ihnen auch geläufig, dass bei einem Modell mit Schnürung der Abstand gewahrt bleiben muss? Liegen drei bis sieben Millimeter nach dem Zubinden zwischen den Lederteilen, »sitzt« der Schuh. Passen dagegen muss er deswegen noch lange nicht. Da hilft nur eines: Probieren, probieren, probieren. Jedoch nicht vor dem frühen Nachmittag, dann sind die Füße druckempfindlicher als morgens.
Und schon gar nicht ohne die Handgriffe eines versierten Verkäufers, die sich allerdings nicht auf das Holen der Paare beschränken, sondern mehr mit dem Erfühlen der Passgenaugigkeit beschäftigen sollten. Ein freundlicher Daumendruck dort, wo der große Zeh vermutet wird, ist dabei längst nicht alles. Gut möglich, dass die Fachkraft so ganz nebenbei erwähnt, dass man(n) gerade in einen Oxford, Fullbrogue, Monkstrap, Seamfront oder Derby geschlüpft ist - allesamt gängige Modelle, mit denen Männer jederzeit auf gutem Fuß stehen. So sie denn gehegt und gepflegt werden, die Schuhe. Schiefe Absätze, Loch in der Sohle, fleckiges Leder, ausgefranste Schnürsenkel - das bringt die treuen Wegbegleiter gehörig aus dem Tritt.
Fußnote: »Alles über Herrenschuhe« ist Sachbuch, Ratgeber und Nachschlagewerk in einem. Geschrieben hat es Helge Sternke, ein »Außenstehender«, der mit der Schuhbranche nur so viel am Bein hat, als dass er ihr gelegentlich auf die Zehen tritt. Wo es Mängel gibt, da zeigt er sie auf und hilft damit den Männern auf die Sprünge, die bereit sind, gutes Geld für bessere Schuhe auszugeben. Zwar ist »Stehvermögen« vonnöten, um die 560 wort- und bilderreichen Seiten zu konsumieren, aber es lohnt sich. Fußgesundheit, Schuhpflege, Strümpfe, Passform, die richtige Modellwahl, Konfektions- und Maßschuhe, Lederarten- und -herstellung, Farben und Formen - der Leser wird informativ und unterhaltsam auf dem Laufenden gehalten. Daneben spart der Autor nicht mit Tipps, worauf beim Kauf von Schuhen zu achten ist, und er begleitet Streifzüge durch die Werkstätten der Nobelschuhmacher mit launigen Kommentaren. Selbst das Pekuniäre ist ein Thema - wenn auch nur ein beiläufiges. Beatrix Meyer

Artikel vom 16.12.2006