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Ein Autoexperte

»Bernhards Rücktritt würde die Sanierung bei VW um drei Jahre zurückwerfen«

Leitartikel
Stühlerücken bei VW

Der Patriarch
stellt die
Weichen um


Von Wolfgang Schäffer
Die Weichen sind gestellt. Die Marke Volkswagen ist grundsätzlich wieder auf einem besseren Weg, auch wenn längst noch nicht alle Probleme beseitigt sind. Zu verdanken ist das dem jetzt gerade abgelösten Konzern-Chef Bernd Pischetsrieder ebenso wie dem seit 2005 amtierenden VW-Markenchef Wolfgang Bernhard.
Der schon bei DaimlerChrysler als »Sparminator« von der Belegschaft gefürchtete 46-jährige Manager aus dem Allgäu hatte gemeinsam mit dem ehemaligen BMW-Mann Pischetsrieder bereits einige dicke Brocken beiseite geschoben. Knallhart waren nach Erzählungen von Beteiligten seine Auftritte bei Verhandlungen mit den Betriebsräten, die bei VW traditionell einen besonderen Stellenwert und auch bei unternehmerischen Entscheidungen ein gewichtiges Mitspracherecht haben. Dennoch setzte Bernhard eine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern auf längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich durch. Dabei hatte er als Druckmittel sogar mit dem Abzug der Golf-Produktion aus Wolfsburg gedroht.
Doch das war längst nicht alles. Auch der Abbau von 20 000 der 100 000 Arbeitsplätze bei VW, von dem eher zurückhaltend agierenden Bernd Pischetsrieder verkündet, ist eindeutig auf das Bestreben Bernhards zurückzuführen. Er hatte vom ersten Tag seines VW-Engagements an die Kostensenkung im Visier. Der Grund ist einfach: Volkswagen produziert viel zu teuer. 50 Herstellungs-stunden für einen Golf, steht beispielsweise etwa die Hälfte der Zeit für den Bau eines 1er BMW gegenüber.
Die Ursachen nicht nur für Probleme dieser Art liegen indessen weit zurück. Die fast unbezahlbaren Ausflüge in die Luxusklasse mit dem Phaeton sowie den Marken Bentley und Bugatti, eine verfehlte Fahrzeugpolitik mit viel zu spät in den Markt gekommenen Modellen (Sharan, Touran, kompakte Geländewagen) und technische Millionengräber wie das Ein-Liter-Auto hat Ferdinand Piëch zu verantworten.
Doch davon wollte und will der begnadete Techniker nichts wissen. Vielmehr zog er hinter den Kulissen geschickt die Fäden, um den von ihm einst geholten Pischetsrieder abzusägen. Der nämlich hatte es gewagt, Vorschläge und Einwürfe des Machtmenschen Piëch nicht zu befolgen.
Jetzt kommt mit Noch-Audi-Vorstand Martin Winterkorn ein alter Piëch-Fahrensmann nach Wolfsburg. Der aber sammelt schon einen Stab von Vertrauten um sich, mit denen er die nicht leicht zu lösenden Aufgaben bei VW in Angriff nehmen will.
Zu diesem Kreis wird Wolfgang Bernhard trotz seiner Erfolge kaum mehr zählen. Nach dem Umbau der VW-Führungsebene wäre seine Macht und damit sein Einfluss beschnitten. So etwas nimmt Bernhard nicht hin. Er wird gehen und damit das langsam greifende Sanierungskonzept zumindest vorerst wieder ins Stocken geraten. Schade für VW.
Und das alles vermutlich nur, weil die Ferdinand Piëch sich in seiner Patriarchen-Rolle nicht genügend beachtet gesehen hat.

Artikel vom 17.11.2006