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»Jeder Patient hat sein
eigenes Päckchen Probleme«
Uncharakteristische Erstsymptomatik erschwert die Diagnose von Morbus Parkinson
Gütersloh (WB). »Was hab' ich denn überhaupt?« Die Patienten, die Dr. Angela Schacker gegenüber sitzen, sind verunsichert, wenn sie ihre Symptome schildern. »Die Patienten fühlen sich unwohl, leiden unter Schmerzen am Bewegungsapparat, haben Stimmungsstörungen«, erklärt die Fachärztin für Neurologie. Der Weg bis zur endgültigen Diagnose Morbus Parkinson kann Jahre dauern.
Es sind ganz unspezifische Befindlichkeitsstörungen, mit denen Patienten im Anfangsstadium der Krankeit einen Arzt konsultieren. Die Diagnose Morbus Parkinson ist für Mediziner zu diesem Zeitpunkt nicht einfach zu stellen, Verwechslungen mit anderen Krankheiten sind durchaus möglich.
Ist das Krankheitsbild bereits ausgeprägt, ist Morbus Parkinson eindeutig zu erkennen. Wenn die Schritte des Patienten klein sind, der Gang schlurfend, der Körper vorgebeugt, die Mimik reduziert und seine Hände zittern sind dies charakteristische Symptome für eine fortgeschrittene Parkinson-Erkrankung.
Auch die kognitiven Fähigkeiten können sich im Laufe einer Parkinson-Erkrankung verändern. »Häufig sind die Patienten langsamer im Denken und im Verarbeiten von Informationen. Merkfähigkeit und Orientierung können nachlassen, die Problembewältigung im Alltag wird schwierig«, erklärt die 38-Jährige, die sich in Gütersloh mit einer Privatpraxis für Neurologie niedergelassen hat.
»Parkinson verändert sich. Die Krankheit beginnt milde und steigert sich«, so Dr. Angela Schacker. Wie die Krankheit ÝzuschlägtÜ, ist ganz individuell. »Jeder Parkinson-Patient hat sein eigenes Päckchen Probleme zu tragen«, bringt es die Medizinerin auf den Punkt.
Ursache für Morbus Parkinson ist eine Störung des Botenstoff-Stoffwechsels im Gehirn. Beim gesunden Menschen nimmt der Dopamin-Rezeptor den Botenstoff Dopamin auf und leitet ein Signal weiter. Die Nervenzellen kommunizieren auf diese Weise. Wird aber, wie bei Morbus Parkinson, zu wenig Dopamin gebildet, ist der Informationsfluss gestört. Es kommt zu den beschriebenen Symptomen.
Parkinson ist eine Alterskrankheit, nur in den seltensten Fällen tritt sie vor dem Erreichen der zweiten Lebenshälfte auf. »Die Lebenserwartung von Parkinson-Patienten ist nicht nennenswert beeinträchtigt«, beruhigt Dr. Angela Schacker und weist auf verschiedene Therapien hin, die es den Patienten ermöglichen, trotz Parkinson den Alltag zu meistern.
Die Standardtherapie ist die Gabe von L-Dopa, heute meist in Kombination mit einem Dopamin-Rezeptor-Agonisten. L-Dopa ist ein Vorläuferstoff des Dopamin, der Körper bildet daraus diesen Botenstoff.
Dopamin-Rezeptor-Agonisten werden vor allem im frühen Krankheitsstadium verordnet. Sie wirken direkt am Dopamin-Rezeptor. Neu in dieser Wirkstoffgruppe ist ein Pflaster, das
kontinuierlich den Wirkstoff Rotigotin abgibt.
Wenn die Basistherapie ausgeschöpft ist, bleibt die Möglichkeit, weitere Medikamente zu kombinieren, weiß Dr. Angela Schacker aus langjähriger Erfahrung: So genannte COMT-Hemmer oder MAO-Hemmer, die den Abbau des Dopamin hemmen, machen den Alltag erträglicher. Amantadin kommt als weiterer Kombinationspartner in Frage. Vor allem die L-Dopa-Therapie trägt dazu bei, dass die Krankheit sich verändert, gibt die Neurologin zu bedenken. Die Veränderungen im Hirnstoffwechsel durch die schubweise Dopamin-Zufuhr können langfristig zu erheblichen Tagesschwankungen führen: von einer Minute zur anderen kann aus Muskelversteifung extreme Überbeweglichkeit werden.
Um diesem Problem beizukommen, wurde das Duo-Dopa-System entwickelt, das allerdings nur bei schweren Fällen angewandt wird. Über einen Schlauch in der Bauchdecke und eine Pumpe wird L-Dopa kontinuierlich direkt in den Dünndarm gepumpt. Beim Apomorphin-System wird ein Dopamin-Rezeptor-Agonist entweder kontinuierlich oder mit einem so genannten Pen unter die Haut gespritzt, ebenfalls mit dem Ziel, starken Tagesschwankungen entgegen zu wirken.
»Parkinson-Patienten müssen viele Tabletten nehmen, und die Einnahme-Schemata sind sehr kompliziert«, erklärt die Neurologin. Über die medikamentöse Therapie hinaus gibt es den Hirnstimulator, der ähnlich wie ein Herzschrittmacher funktioniert. Elektroden werden tief ins Gehirn eingesetzt, die einen Schrittmacher - den der Patient selbst an- oder ausschaltet - mit Impulsen versorgt. Nicht jeder Patient ist für dieses Verfahren geeignet.
Was kann der Patient selbst tun? »Wer rastet, der rostet - das gilt besonders für Parkinson-Patienten. Je mehr Gelenke und Muskeln bewegt werden, umso besser«, rät Dr. Angela Schacker Betroffenen.
Ellen Grundmann

Artikel vom 24.11.2006