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Der »Feind« saß überall

Zweiteiler berichtet über Agenten der DDR im ZDF

Von Esteban Engel
ZDF, 23.45 Uhr: Bei der Stasi knallten die Sektkorken. Als sich 1987 Gerhard Löwenthal mit seinem ZDF-Magazin verabschiedete, konnten Mielkes Agenten ihr Glück kaum fassen.

Der scharfe DDR-Kritiker hatte sich zwar aus Altersgründen vom Bildschirm verabschiedet, doch die DDR-Staatssicherheit feierte den Abgang wie einen Sieg in ihrem Kampf gegen den Sender. Mit der zweiteiligen Dokumentation »Die Feindzentrale« zeichnet das ZDF heute und morgen in eigener Sache nach, wie Ost-Berlin über Jahrzehnte versuchte, das Zweite zu »zersetzen«, zu kontrollieren und zu beeinflussen.
Bis zu 200 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren gegen den Sender im Einsatz. Mit der Geheimoperation »Bagage« versuchten Mielkes Spione immer wieder an vertrauliche Information oder Schlüsselpositionen in Mainz zu gelangen, Korrespondenten zu beeinflussen und wenn nötig einzuschüchtern. Für die zweijährige Recherche hat Autor Christhard Läpple 335000 Dokumentenseiten gesichtet, Dutzende von Zeitzeugen befragt, viele Sendungen ausgewertet.
Zum Beispiel im Fall Christina Kanyarukiga. Jahrelang hatte die einstige ZDF-Mitarbeiterin geschwiegen und erst mit Läpples Dreharbeiten sich als IM »Swanjte« bekannt. Im Film legt sie Zeugnis ab über ihr Doppelleben.
Doch nicht alle Agenten im ZDF wollen heute so weit gehen. Günter Scheer, einst im DGB-Bundesvorstand für Medien zuständig und jahrelang Mitglied im ZDF-Fernsehrat, war IM »Gaston«. Er habe dabei niemandem geschadet, beteuert er. Oder Horst P., der heute schweigt. Er reiste als Kameramann von Reporter Peter Scholl-Latour durch die Welt, lieferte als IM »Goslar« Banales und Brisantes aus dem Sender. Beim MfS war er als »James Bond vom Lerchenberg« bekannt.
Zuweilen brutal war der Zugriff der DDR-Behörden auf das ZDF- Korrespondentenbüro in Ost-Berlin. Die Redaktion war verwanzt, der Eingang mit versteckten Kameras überwacht. Immer wieder brachen Stasi-Kommandos in der Nacht ein. Gegen mehr als 670 DDR-Bürger, die mit dem ZDF Kontakt aufgenommen hatten, wurde ermittelt. Zu ihnen gehört auch Wilma Reuß, die wegen »staatsfeindlicher Hetze« zu sieben Jahre Haft verurteilt wurde. Die Doku überlässt dem Zuschauer ein Urteil. »Wir Journalisten sind keine Richter«, sagt Chefredakteur Nikolaus Brender.

Artikel vom 16.11.2006