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Unions-Streit um Bleiberecht

Fraktionsvize Bosbach hält Scheitern der geplanten Regelung für möglich

Berlin (dpa). Der Koalitions-Kompromiss zum Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer hat einen heftigen Streit in der Union ausgelöst.

Mehrere unionsregierte Bundesländer wollen die Einigung nicht mittragen. Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) hielt ein Scheitern der geplanten Regelung noch für denkbar. Dagegen begrüßte Bundestags-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) den Kompromiss, auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb dafür. Die SPD warnte eindringlich davor, die Vereinbarung in Frage zu stellen.
Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte: »Dieser Kompromiss bedeutet eine Zuwanderung in die Sozialsysteme und geht damit zu Lasten der Kommunen.«
Die CDU habe dies zu Zeiten von Rot-Grün im Bundesrat verhindert. »Das werden wir wieder so machen.« Schäuble und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sowie Fachpolitiker beider Koalitionsfraktionen hatten sich am Dienstag auf Eckpunkte zum Bleiberecht verständigt. Auf Dauer sollen Alleinstehende in Deutschland künftig nach mindestens acht Jahren Aufenthalt bleiben dürfen, Familien mit Kindern nach sechs Jahren. Wer bleiben darf, soll sofort Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, aber auch jeden angebotenen Job annehmen müssen.
Eine Entscheidung über den seit langem schwelenden Streit wird von der Konferenz der Innenminister aus Bund und Ländern erwartet. Sie treffen sich heute und morgen in Nürnberg.
Schünemann warf Schäuble Unkenntnis und Praxisferne vor. Die Einigung zeige, »dass auch beim Bundesinnenminister die Kenntnis über die Praxis vor Ort nicht sehr ausgeprägt ist«, sagte Schünemann im RBB-Inforadio.
Das Problem sei, dass Flüchtlinge sofort ein Aufenthaltsrecht bekämen. Sollten sie keine Arbeit finden, sehe der Kompromiss eine Abschiebung vor. Das würde aber schwierig sein, weil die Betroffenen dann schon ein Aufenthaltsrecht hätten. Auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) zeigte sich skeptisch. Ob bei der Innenministerkonferenz eine Annäherung gelinge, lasse sich kaum abschätzen, sagte er.
Dagegen betonte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU): »Die Kritik des Kollegen Schünemann an Wolfgang Schäuble halte ich für vollkommen unangemessen.« Der Kompromiss gehe »in die richtige Richtung« und bedeute keine Entmachtung der Innenministerkonferenz.
Nach Darstellung Bosbachs sind zwischen Union und SPD noch wichtige Fragen offen. »Wir haben uns bislang nur über Eckpunkte für eine gesetzliche Bleiberechts-Regelung geeinigt«. Nicht endgültig geklärt seien die Voraussetzungen, nach denen man annehmen könne, dass jemand seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann.
Bosbach betonte: »Es gibt keine Gesamteinigung. Bundesinnen- und Bundesarbeitsministerium sind sich im entscheidenden Punkt nicht einig.« Der Plan könne noch scheitern.
Schäuble sagte: »Wir haben über Monate intensiv gearbeitet in enger Rückkopplung mit den Innenministern .« Er forderte: »Alle, die guten Willens sind, sollten ihre Verantwortung wahrnehmen.« Auch Kauder wertete den Kompromiss als »gute Lösung, weil er die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis an den Zugang zum Arbeitsmarkt knüpft und damit Sozialmissbrauch weitestgehend verhindern wird«.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnte davor, den Kompromiss zum Bleiberecht in Frage zu stellen. »Ich bin stinksauer, wenn das jetzt zerredet wird«, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Auch die Innenminister von Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, Ralf Stegner und Karl Peter Bruch (beide SPD), begrüßten den Kompromiss.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nannte die Einigung eine stabile Grundlage, »die jetzt auch ohne Abstriche umgesetzt werden muss«. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 16.11.2006