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Hochvirtuose
Einordnung
ins Kollektiv

European Union Chamber und Zephyr

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit dem European Union Chamber Orchestra und dem Zephyr Quintett gastierten gleich zwei Spitzenensembles im Rahmen der Reihe Konzerte Müller in der Oetkerhalle. Doch entweder hat es sich in Bielefeld noch nicht richtig herumgesprochen, dass es seit Saisonbeginn diese neue, hochklassige Konzertreihe gibt, oder der Markt ist gesättigt.

Die wenigen, handverlesenen Besucher wären sich im Kleinen Saal vielleicht weniger verloren vorgekommen, hatten im Gegensatz zur nicht anwesenden Mehrheit trotzdem die bessere Wahl getroffen. Denn in ihrem ingeniösen interpretatorischen Zugriff auf die oftmals so abgewalzte Welt der Wiener Klassik sowie in ihrer spielerischen Perfektion und Leidenschaft entwarfen die Musiker und Musikerinnen einen einzigartigen Klangkosmos. Dazu präsentierten sie eine interessante Gegenüberstellung mit dem neoklassizistischen Kompositionsverfahren eines Gustav Holst, den man kaum mehr denn als Tonsetzer einer klangzauberisch-futuristischen Planeten-Musik kennt.
Seine »St. Paul's Suite für Streicher« aus dem Jahr 1913 vereint gekonnt stilisierte Tanzsätze von rhythmisch beschwingter Gangart mit folkloristischer Couleur. Und die »musikalischen Botschafter der Europäischen Union« servierten das Werk in mitreißender Lebendigkeit und atemberaubender Frische. Ein sich aus rhythmischer Impulskraft speisender Bewegungsdrive, kleinteilige Phrasierungskunst, die sich in nuancierter Akzentuierung und äußerst differenzierter Tempo- und Dynamik-Auffassung widerspiegelt, kennzeichnen den Musizierstil dieses Kammerorchesters, in dem sich individuelle Virtuosität sowie Ein- und Unterordnung ins Kollektiv nicht auszuschließen scheinen.
Ausgestattet mit genannten Vorzügen, unterwerfen sie ihren Mozart gen Ende des Jubeljahres einer sorgsam-radikalen Neusichtung, die sich fern jeglicher Routine vom Einerlei erfrischend abhebt. Man vernahm's hoch entzückt beim »Andante C-Dur KV 315 für Flöte und Orchester«, das in seiner feinsinnigen, unaufgeregten Durchzeichnung von orchestraler Kantabilität und solistischer Empfindsamkeit für sich einnahm. Ebenso beim »Adagio E-Dur KV 261 für Violine und Orchester«, das in seiner spielerisch effektvollen Entfaltung geradezu kühn wirkte.
In Verbindung mit dem sanften »Zephyr-Wind« geriet die »Sinfonia concertante für Klarinette, Oboe, Horn und Fagott« zu einer glänzend, neckend, antwortenden Brillierrunde. Durch Haydns Schulmeister-Sinfonie Nr. 55 hingegen wehte, so affektgeladen und griffig präsentiert, noch der Geist des Spätbarock.

Artikel vom 15.11.2006