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Mehr als 100 Menschen entführt

Überfall auf Hochschulministerium in Bagdad - 20 Opfer wieder frei

Bagdad (dpa). Nur wenige Stunden nach einer spektakulären Massenentführung in Bagdad sind gestern Abend 20 der Opfer wieder freigekommen.Ministerpräsident Nuri al-Maliki will zehn Minister austauschen.
Der staatliche Nachrichtensender Al-Irakija berichtete unter Berufung auf einen Regierungssprecher, die Entführer hätten 20 Beamte des Instituts für Kulturforschung freigelassen, das dem Hochschulministerium angeschlossen ist. Das Schicksal der übrigen Entführungsopfer war noch unklar.
Unterdessen gerieten irakische Polizisten unter Tatverdacht. Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete, fünf Beamte seien festgenommen worden, weil sie möglicherweise in die Entführung verwickelt seien.
Bewaffnete Männer hatten am Morgen mehr als 100 Beamte, Experten und Besucher aus dem Institut verschleppt. Die Kidnapper seien mit mehreren Fahrzeugen vor dem Gebäude vorgefahren und hätten die Wachleute überwältigt. Anschließend hätten sie alle Frauen in einem Zimmer eingeschlossen und zwischen 100 und 150 Männer verschleppt. Die Entführer hätten zum Teil Uniformen einer Spezialeinheit des Innenministeriums getragen, sagte Hochschulminister Abed Thejab al-Adschili.
Beobachter vermuteten, dass es sich bei den Entführern tatsächlich um Polizisten handelte. Die Spezialeinheit des Innenministeriums wird von den Sunniten-Parteien oft als verlängerter Arm der schiitischen Partei-Milizen bezeichnet. Allerdings benutzen Terroristen im Irak häufig auch gestohlene oder nachgemachte Uniformen.
Der Ministeriumssprecher erklärte weiter, das Innen- und Verteidigungsministerium hätten zugesichert, alle Ausbildungsstätten besser zu schützen. Darum würden die Universitäten heute ihren normlen Betrieb wieder aufnehmen. Der Minister hatte die Entführung als »kriminellen Akt« verurteilt. Die Entführung sei Teil einer Kampagne gegen die geistige Elite des Landes, sagte der sunnitische Ressortchef weiter.
Der irakische Fernsehsender Al-Scharkija meldete derweil, bei einem US-Luftangriff in der westirakischen Aufständischen-Hochburg Ramadi seien in der Nacht zum Dienstag mindestens 30 Menschen getötet worden. Die US-Armee kommentierte den Bericht zunächst nicht.
Nach Informationen des Nachrichtensenders Al-Arabija kamen bei einem Autobombenanschlag auf einem Markt in Bagdad gestern zehn Menschen ums Leben. In Bakuba fand die Polizei die Leichen von 15 Mordopfern.
Bei der von Ministerpräsident Nuri al-Maliki angekündigten Kabinettsumbildung soll nach Angaben aus Regierungskreisen etwa jeder dritte Minister ausgetauscht werden. Al-Maliki wolle in den kommenden Wochen zehn der 27 Minister seines Kabinetts austauschen, sagte der Abgeordnete Abbas al-Bajati, ein einflussreicher Politiker aus Al-Malikis Schiiten-Allianz. Al-Maliki hatte zuvorerklärt, er wolle unfähige Minister, die durch das zwischen den Parteien ausgehandelte Quotensystem zu ihren Posten gekommen seien, durch Fachleute ersetzen. Viele Iraker klagen, dass die Parteien die von ihren Mitgliedern geleiteten Ministerien wie ihren »Besitz« verwalteten und jede Gelegenheit nutzten, sich zu bereichern.

Artikel vom 15.11.2006